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26.05.2021

COVID-19: Die lokale Umsetzung von Impfstrategien und Impfkommunikation in Kommunen

Dokumentation des virtuellen Fachaustausches von Connective Cities am 22. und 25. März 2021

Foto: Graphic Recording by Florence Dailleux / Thinkpen

Seit Dezember 2020 organisieren Kommunen weltweit die Impfung ihrer Bürgerinnen und Bürger gegen COVID-19. Sie müssen nicht nur für einen reibungslosen Ablauf der Impfungen sorgen, sondern auch mit innovativen Kommunikationsstrategien das Vertrauen der Menschen gewinnen und vulnerable Gruppen wie ältere Menschen und Geflüchtete mit wichtigen Informationen zur Impfung erreichen.

Der virtuelle Fachaustausch zu Impfstrategien und Impfkommunikation am 22. und 25. März 2021, an dem acht Kommunen und zwei Kommunalverbände aus Deutschland, Israel, Kolumbien, Serbien und Togo teilnahmen, ist Teil einer COVID-19-Veranstaltungsserie der internationalen Städteplattform Connective Cities. Die Online-Veranstaltungsreihe gibt Kommunen aus aller Welt seit Sommer 2020 die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu teilen, sich gegenseitig zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu beraten und gemeinsam Lösungen zum Pandemiemanagement zu erarbeiten.

Interne und externe Kommunikation: starke Säulen der Berliner Impfstrategie

Detlef Cwojdzinski, Projektmanager der Berliner Impfzentren, berichtete den Teilnehmenden, wie wichtig die interne Kommunikation für den reibungslosen Betrieb der Impfzentren sei. Sie sei ein zentraler Faktor dafür, dass die vielen beteiligten Akteure – von den Hilfsorganisationen, die die Zentren betreiben, über die etwa 3.000 Mitarbeitenden, das Gesundheitsministerium, die Ärzteschaft bis hin zu Sicherheitsdiensten und dem Militär – effektiv und transparent zusammenarbeiten und so möglichst viele Menschen impfen. Zudem setzten die Betreiber der Impfzentren auf eine offene und vertrauensvolle Kommunikation mit der Bevölkerung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Das gilt auch für den gesamten Impfprozess – vom Terminmanagement, über die Anmeldung und Registrierung im Impfzentrum bis hin zu den ärztlichen Aufklärungsgesprächen, die auch in Fremdsprachen oder Gebärdensprache stattfinden können. Mehr: Präsentation "Wir helfen Berlin" [pdf]

Serbien: Koordinierung muss vertikal und horizontal stattfinden

In Serbien werde die Bevölkerung an 950 Standorten sowie von mobilen Teams in Studentenwohnheimen, Firmen und Dörfern geimpft, erläuterte Dr. Jasmina Tanasic, Programmdirektorin für soziale Entwicklung bei der Ständigen Konferenz der Städte und Gemeinden Serbiens. Die serbische Impfstrategie beinhaltet eine vertikale und eine horizontale Koordinierung, wobei die vertikale Abstimmung vom Gesundheitsministerium bis zu den Kommunen hinunter verlaufe und die horizontale Koordinierung besonders gut in Form von operativen Expertenteams funktioniere, in denen alle relevanten Stakeholder auf kommunaler Ebene vertreten seien. Die Kommunen sollten darauf achten, dass sie die Ehrenamtlichen gut unterstützen und sie vor Überlastung und Ermüdung schützen. Bei der Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern habe man in Serbien gute Erfahrungen mit kommunalen Call Centern gemacht.

Praxisbeispiele aus Krefeld, Stuttgart, Stari Grad (Serbien) und Kiryat Shmona (Israel)

In Krefeld sehen die Stadtverwaltung und das Deutsche Rote Kreuz, das mit der Umsetzung der Test- und Impfkampagne der Stadt beauftragt wurde, die große Notwendigkeit, die vielen an der Impfkampagne beteiligten Akteure miteinander zu vernetzen und ihre Beiträge zu koordinieren. Hierfür wäre ein Runder Tisch hilfreich, bei dem unter anderem die Aufgaben und Kompetenzen der verschiedenen Stakeholder klar kommuniziert werden. Die Kommunikation der Stadt Krefeld mit der Bevölkerung setzt auf Aufklärung hinsichtlich der Sicherheit der Impfstoffe, soll Verständnis für die festgelegte Impfreihenfolge schaffen und wirbt um Geduld bei der Bevölkerung. Dabei werden verschiedene Kanäle wie Social Media bespielt und vulnerable Bevölkerungsgruppen gesondert adressiert. Erfahren Sie mehr.

Ein großer Anteil der Bürgerinnen und Bürger des serbischen Stari Grad, der Altstadt von Belgrad, ist über 65 Jahre alt und sollte prioritär geimpft werden. Um diese Menschen, die meist selbst keinen Zugang zum staatlichen Online-Buchungsportal für Impftermine haben, zu erreichen, richtete die Kommune ein Call Center ein. Dessen Mitarbeitende kontaktieren die Bürgerinnen und Bürger und organisierten für sie einen Termin. Gleichzeitig gibt es auch eine Hotline, an die sich die Bevölkerung wenden kann. Parallel hierzu kontaktiert ein Team von Ehrenamtlichen die Menschen direkt, bietet hilfsbedürftigen Menschen einen Fahrservice zum Impfzentrum an, begleitet sie während des Impfprozesses und hilft etwa beim Ausfüllen von Formularen. Präsentation: Service centre for communication with citizens [pdf]
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Der Anteil von Migrantinnen und Migranten an der Bevölkerung Stuttgarts ist hoch, die Bürgerinnen und Bürger kommen aus 180 Ländern und sprechen insgesamt 120 Sprachen. Sie mit ihrer Impfkommunikation zu erreichen, ist ein wichtiges Ziel der Stuttgarter Impfkampagne. So veröffentlichte die Verwaltung etwa Videos und Flyer in unterschiedlichen Sprachen und setzt auf Social-Media-Kanäle. Mit ihrer externen Kommunikation will die Kommune zudem für Geduld werben, die Solidarität der Stadtgesellschaft stärken und zum Schutz besonders vulnerabler Gruppen beitragen. Viele Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderungen sowie ältere Menschen haben oft keinen Zugang zum Online-Buchungsportal für Impftermine. In Stuttgart engagieren sich viele Ehrenamtliche unter anderem von migrantischen Organisationen, die Hilfsbedürftigen bei der Buchung von Terminen helfen und sie zum Impfzentrum begleiten. Ein Runder Tisch mit allen zentralen in die Impfkampagne involvierten Stakeholdern sorgt für Transparenz und für eine klare Kompetenz- und Aufgabenverteilung. Erfahren Sie mehr.

Der israelischen Kleinstadt Kiryat Shmona gelang es, innerhalb eines Monats alle Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahren zu impfen. Zum Erfolg der Impfkampagne trug zum einen bei, dass die israelische Regierung schnell ausreichend Impfstoff verfügbar machte und zum anderen, dass die Kommune auf etablierte Strukturen und Erfahrungen im Katastrophenmanagement zurückgreifen konnte. Zudem gab es eine zielgruppenspezifische Ansprache: Junge Leute wurden zu einer Langen Impfnacht mit Chips und Pizza eingeladen, ältere Menschen zu einer Lesung, bei der im Anschluss geimpft wurde. Ehrenamtliche riefen alle Seniorinnen und Senioren an und eine umfassende Informations-Kampagne, die bereits vor dem Beginn der Impfungen veröffentlicht wurde, konnte Bedenken der Bevölkerung gegenüber einer Impfung deutlich reduzieren. Präsentation: Vaccination Strategy of Kiryat Shmona [pdf]

Lösungen für Herausforderungen in Bogotá (Kolumbien) und Stuttgart

Ein Kernelement der Connective-Cities-Fachaustausche ist die Peer-to-Peer-Beratung. Hierbei stellen kommunale Akteure aktuelle Herausforderungen in einer Arbeitsgruppe vor und die Teilnehmenden suchen gemeinsam nach passenden Lösungsstrategien. Sie können dabei auf ihre eigenen Erfahrungen aus der kommunalen Praxis zurückgreifen.

Die kolumbianische Hauptstadt Bogotá will im Rahmen ihrer Impfkampagne die Bevölkerung besser erreichen, um Falschinformationen über die Vakzine zu beseitigen und Vertrauen in den Impfprozess zu schaffen. Dieser läuft in vielfacher Wese nicht optimal: Es ist nur wenig Impfstoff verfügbar und die Verteilung von Impfterminen hakt an vielen Stellen. Als mögliche Lösung wurde unter anderem die Etablierung eines runden Tisches vorgeschlagen, bei dem alle für die Kampagne zuständigen Stakeholder zusammenkommen, sich abstimmen und gemeinsam Entscheidungen treffen. Lokale Autoritäten sollten bei der Kommunikation besonders angesprochen werden, weil die Bevölkerung ihnen in der Regel großes Vertrauen entgegenbringt. Die indigene Bevölkerung sollte in ihrer jeweils eigenen Sprache angesprochen werden und eine öffentliche Kampagne sollte zu Geduld und Solidarität sowie zu Respekt gegenüber der aktuell priorisierten Impfgruppe aufrufen.

Während andere Kommunen mit Impfskeptikern und -gegnerinnen konfrontiert sind, beobachtet die Stadt Stuttgart derzeit in der Bevölkerung eine wachsende Ungeduld, endlich einen Impftermin zu bekommen. Daher ist es wichtig, den Zeitplan für die Impfung der einzelnen Bevölkerungsgruppen gemäß der politisch festgelegten Priorisierung transparent zu kommunizieren. Erschwert wird dies allerdings durch unzureichende Lieferungen der Vakzine und die Impfstopps mit dem Vakzin von AstraZeneca.

Die Kommunikation der Stadt muss alle wichtigen Zielgruppen erreichen, auch vulnerable Gruppen wie etwa Geflüchtete, die oft nicht gut Deutsch sprechen. Daher müssen viele Kommunikationskanäle bespielt werden und in den Impfzentren können Übersetzungs-Apps wertvolle Dienste leisten. Weil Ehrenamtliche eine zentrale Rolle in der Impfstrategie von Stuttgart spielen, ist es wichtig, deren Leistung etwa durch kostenlose Trainings wertzuschätzen und explizit für mehr Freiwillige zu werben.

Wenn der impfwillige Teil der Bevölkerung eine Impfung erhalten hat, wird sich die Kommunikationsstrategie der Stadt ändern müssen und bei Impfskeptikerinnen und -skeptikern für den Nutzen der Impfung und deren Sicherheit werben sowie weiter verstärkt auf marginalisierte und schwer erreichbare Teile der Bevölkerung zugehen.

Tipps zur Impfkommunikation von Kommunen:

  1. Die Priorisierung vulnerabler Gruppen bei der Impfung klar kommunizieren und an die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger appellieren sowie einen möglichst realistischen Zeitplan für die Impfung aller Bevölkerungsgruppen veröffentlichen.
  2. Einen Runden Tisch mit allen zentralen Akteuren einrichten und damit Transparenz, klare Abläufe und Zuständigkeiten sicherstellen.
  3. Ehrenamtliche, die für die Impfstrategien unverzichtbar sind, mobilisieren und ihre Arbeit wertschätzen.
  4. Verschiedene Kommunikationskanäle je nach Zielgruppe nutzten, von Telefonanrufen bei älteren Menschen bis zu Impf-Events für junge Leute, auch in anderen Sprachen als Deutsch kommunizieren und damit marginalisierte Gruppen erreichen.
  5. Die Zivilgesellschaft in die Impfstrategie einbinden, insbesondere im Hinblick auf vulnerable Gruppen, zum Beispiel auch über Moschee- und Kirchengemeinden. Hier zahlt sich aus, wenn bereits ein gutes Netzwerk besteht.
  6. Soziale Kohäsion, Solidarität und Respekt in der Gesellschaft stärken.

Weitere Informationen zum Thema in: Städtetag aktuell 4|2021

Inhalt der Ausgabe

Im Blickpunkt

  • Lockerungen für Geimpfte
  • Städtetags-Konferenz mit Kanzlerin
  • Folgen des Lockdowns für Kinder und Jugendliche lindern
  • Niedrigschwellige Impfangebote
  • Neues Portal gegen Hass und Gewalt

Aus den Städten

  • Deutscher Städtebaupreis 2020 geht nach Berlin
  • Riesa bekommt European Energy Award
  • Düsseldorf will fahrradfreundlichste Großstadt werden

Forum

  • 50 Jahre Städtebauförderung
  • Corona-Herausforderungen der Städte weltweit

Externer Download [1 mb]


erstellt von:
Susanne Reiff | Connective Cities


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