Covid-19 und urbane Mobilität
Die Auswirkungen der Pandemie und die Zukunftsaussichten für die Zeit danach
Kurzbericht über die virtuelle Dialogveranstaltung, die Connective Cities zusammen mit United Cities and Local Governments (UCLG), UN-Habitat und der Stadt Wiesbaden vom 19. bis 22. Juli 2021 ausgerichtet hat.
1. Die Corona-Pandemie: Ein Wendepunkt in der städtischen Mobilität
Die Corona-Pandemie hat weltweit zu fundamentalen Veränderungen in der städtischen Mobilität geführt. Einige Auswirkungen der Pandemie sind kurzfristiger Natur, insbesondere solche, die während der Lockdowns festzustellen waren. Andere Auswirkungen dagegen werden die Art und Weise, in der wir uns künftig in der Stadt fortbewegen, langfristig verändern.
Eine der wichtigsten staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie bestand darin, die Mobilität der Menschen einzuschränken. Dabei mussten die Kommunen jedoch gewährleisten, dass Beschäftigte in systemrelevanten Berufen sowie dringend benötigte Waren an ihr Ziel gelangen. Gleichzeitig waren Verhaltensänderungen zu beobachten, denn die Bürgerinnen und Bürger stiegen auf Verkehrsmittel um, die sicherer und hygienischer sind. Dadurch gehen jetzt viele Menschen eher zu Fuß oder bewegen sich mit dem Fahrrad oder Auto fort, während der ööfentliche Personennahverkehr (ÖPNV) einen Rückgang der Fahrgastzahlen hinnehmen musste. Außerdem trugen die Kontaktbeschränkungen zum weiteren Aufschwung von Online-Handel und Lieferdiensten bei, wodurch besondere Herausforderungen auf der letzten Meile entstanden.
Das geringere Verkehrsaufkommen und der Rückgang der Abgasbelastung haben vielerorts die Bereitschaft der Menschen steigen lassen, auf nachhaltige Verkehrsmittel umzusteigen. Investitionen in die Infrastruktur für aktive Mobilität, einen sicheren und besser erreichbaren ÖPNV sowie Verkehrsmittel mit geringem Abgasausstoß sind das Gebot der Stunde, denn Investitionen setzen Wachstumsimpulse, fördern die Schaffung von Arbeitsplätzen und ziehen private Investitionen in vielen Zweigen der Volkswirtschaft nach sich.
2. Konzentration auf den ÖPNV, das Fahrrad und die städtische Logistik
Während der dreitägigen Veranstaltung diskutierten Akteure aus Kommunalverwaltungen, kommunalen Unternehmen, der Zivilgesellschaft sowie Wirtschaft und Wissenschaft aus über 15 Ländern darüber, wie sie die Zukunft der städtischen Mobilität gestalten können. Im Mittelpunkt standen dabei:
- Der ÖPNV: ÖPNV-Betreiber rund um den Globus sehen sich mit einem nie da gewesenen Rückgang der Fahrgastzahlen konfrontiert und müssen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen. In vielen Kommunen gilt es, überkommene Finanzierungsmodelle zu überdenken und nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Vertrauen der Fahrgäste und die Attraktivität des ÖPNVs wiederhergestellt werden können.
- Das Fahrrad: Die Pandemie hat überdeutlich gezeigt, dass die Städte und Kommunen fahrradfreundlicher werden müssen. Gleichzeitig bietet die Pandemie die Chance, über die Aufteilung von Räumen und Flächen und die Rolle des Fahrrads als städtisches Verkehrsmittel neu nachzudenken. Viele Kommunen fördern inzwischen das Fahrrad als Verkehrsträger.
- Eine nachhaltige städtische Logistik: Mit der Zunahme des Online-Handels und der innerstädtischen Zustellung von Lieferungen muss auch die urbane Logistik angepasst werden.
In ihrer Eröffnungsrede betonte Stefanie Holzwarth von UN-Habitat, dass „wir jetzt ein günstiges Zeitfenster haben, um aus der Pandemie zu lernen und unsere Mobilitätssysteme resilienter und krisenfester zu machen. Wir müssen aus dieser Krise gestärkt hervorgehen und bereit sein, etwas gegen den Klimawandel, die Luftverschmutzung und die hohe Zahl der Verkehrsopfer zu unternehmen, denn die Welt kann sich keinen weiteren Zeitverzug leisten!“ Sergio Arredondo vom lateinamerikanischen Verband der Städte, Kommunen und Kommunalverbände (FLACMA) sprach für UCLG und erinnerte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer daran, dass es nicht ausreicht, für einen funktionierenden Nahverkehr zu sorgen, vielmehr muss der ÖPNV sicherer und weniger riskant für die menschliche Gesundheit werden. Viele Städte der Welt erleben gerade einen regelrechten Fahrradboom, was sich in der künftigen Stadtplanung und Raumgestaltung niederschlagen muss. In ihrer Begrüßungsrede wies Bettina Gies von der Gastgeberstadt Wiesbaden darauf hin, dass der internationale Austausch über städtische Mobilität wichtig ist, denn zur Bewältigung der künftigen Herausforderungen auf diesem Gebiet bedarf es flexibler Lösungen und nicht-motorisierter Verkehrsträger.
Nachdem dreizehn Beispiele für erfolgreiche Maßnahmen in den Bereichen ÖPNV, Radverkehr und städtische Logistik vorgestellt worden waren, tauschten sich die Akteure aus Kommunen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft über die Herausforderungen auf diesen Gebieten aus, diskutierten in Peer-to-Peer-Formaten und entwickelten gemeinsame Lösungsansätze. Die diskutierten Herausforderungen reichten von der Verringerung des durch den Online-Handel verursachten Abfallaufkommens in der Stadt Taoyuan (Taiwan) über die Gewinnung der Bürgerinnen und Bürger für den Bau von Radwegen in Cuenca (Ecuador) und die Verkürzung der Fahrtzeiten im ÖPNV von Jerewan (Armenien) bis hin zur Verbesserung des Miteinanders der verschiedenen Straßennutzerinnen und -nutzer in Wiesbaden.