Der OECD-Bericht „Reshaping Decentralised Development Co-operation in Germany“ wurde beim „6. OECD Roundtable on Cities and Regions for the SDGs“ am 20. April 2023 in Brüssel vorgestellt. Er bewertet die Politiken, Strategien, Programme und die Finanzierung der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) in Deutschland sowie die damit verbundenen Herausforderungen und gibt konkrete Empfehlungen, wie die Effektivität und die Auswirkungen von DEZA-Politiken und -Programmen erhöht werden können.
Er ist das Ergebnis eines 18-monatigen Politikdialogs mit mehr als 100 Stakeholdern aus allen Regierungsebenen in Deutschland. Die OECD hat zwei Umfragen durchgeführt: eine bei den Bundesländern und eine bei den Kommunen. Die OECD-Umfrage bei den Ländern im Zeitraum November 2021 bis Januar 2022 richtete sich an die Anlaufstellen für Entwicklungszusammenarbeit in den 16 deutschen Bundesländern. Beantwortet wurde die Umfrage von den für die Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Abteilungen der Landesministerien von 14 der 16 Länder sowie von Vertretern des Bundes (BMZ) und der Durchführungsorganisationen. Eine ähnliche Befragung wurde auf die deutschen Kommunen ausgedehnt und an die jeweiligen Verantwortlichen für die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort gerichtet. Diese zweite Umfrage wurde zwischen April und Juni 2022 durchgeführt.
Seit den 1950er Jahren hat die DEZA innerhalb der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Im Vergleich zu anderen Mitgliedern des Entwicklungshilfeausschusses der OECD leisten die deutschen Kommunen und Regionen in absoluten Zahlen mit Abstand die höchste öffentliche Entwicklungshilfe (ODA), insgesamt ca. 1.538 Millionen Euro in 2020 gefolgt von Spanien mit 369 Millionen Euro. Die meisten Länder und Kommunen konzentrieren sich in ihrer Entwicklungszusammenarbeit auf technische Zusammenarbeit, Beratungsdienste und kollegiale Beratung sowie Netzwerkarbeit, vor allem in den Politikbereichen Bildung, Umwelt und Gesundheit.
Auf kommunaler Ebene sind der Aufbau und die Förderung von Netzwerken und kollegialer Beratung die beiden am häufigsten genutzten Arten der technischen Unterstützung bei kommunalen DEZA-Aktivitäten. Rund 75 % der Kommunen, die auf die OECD-Umfrage geantwortet haben, haben sich 2018, 2020 oder in beiden Jahren mit dem Aufbau und der Förderung von Netzwerken beschäftigt. Kollegiale Beratung ist die zweitwichtigste Art der technischen Unterstützung für DEZA-Projekte von Kommunen. Rund zwei Drittel der Kommunen nutzten kollegiale Beratung in ihren DEZA-Programmen. Runde Tische und Plattformen, die Akteure aus verschiedenen Sektoren zusammenbringen, sind Instrumente, die von den Kommunen genutzt werden und die Kommunikation und den Wissensaustausch verbessern können, insbesondere in Krisen und Notfällen.
In diesem Kontext wurde die Zusammenarbeit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) explizit erwähnt: „Es gibt verschiedene Formen der Zusammenarbeit zwischen Engagement Global und der GIZ in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Dazu gehören SKEW-Projekte mit GIZ-Büros in bestimmten Partnerländern wie in der Maghreb-Region, der Ukraine, im Westjordanland und Gazastreifen sowie Projekte wie das Programm "Connective Cities", das den weltweiten Austausch von kommunalem Fachwissen fördert und den auf die Bedürfnisse von Kommunen ausgerichteten Lern- und Fachaustausch zwischen deutschen und internationalen städtischen Praktikern unterstützt.“
Der Technologie- und Know-how-Transfer spielte eine ähnlich wichtige Rolle wie die kollegiale Beratung: Rund 60 % der Kommunen nutzten ihn als Teil ihrer DEZA-Aktivitäten im Jahr 2018 und/oder 2020. Andere relevante Arten der technischen Unterstützung, die für die DEZA-Aktivitäten der Kommunen wichtig sind, sind insbesondere die berufliche Bildung, Beratungsdienste, Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement.
Weitere wichtige Politikbereiche für deutsche Kommunen sind Governance und Demokratie. Nahezu 30 % waren in den letzten fünf Jahren in den Bereichen lokale Verwaltung, Demokratie und Dezentralisierung aktiv. Rund 27 % haben sich bei ihren Aktivitäten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sowohl 2018 als auch 2020 auf die soziale Eingliederung konzentriert. Weitere relevante Bereiche der an der Umfrage teilnehmenden Kommunen sind Stadtentwicklung (20 %), Gesundheit seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie (22 % aktive Kommunen im Rahmen der DEZA), sowie wirtschaftliche Entwicklung, Wasser, Gender und Kultur. Generell sei es wichtig, ein gemeinsames Verständnis des Ziels eines DEZA-Projekts zu finden, um eine Diskrepanz bei den Prioritäten zu vermeiden.
Der Bericht sieht aber auch Schwächen im deutschen DEZA-System: Die meisten Länder würden ihre Politik zwar mit der Bundesregierung über das Bund-Länder Programm abstimmen. Es gäbe aber kaum eine Politikkoordinierung zwischen den Ländern und den Kommunen. Dies könne zu verstreuten Kleinprojekten, ungenutztem Synergiepotenzial in den Partnerländern und Doppelarbeit führen. Zudem sei die DEZA insbesondere auf Länderebene noch ausbaufähig.
Weiterhin gäbe es keine einheitliche Definition der dezentralen Entwicklungszusammenarbeit und keine ausreichenden Datenlage für ein Wirkungsmonitoring. Entsprechende Wirkungsnachweise könnten die Attraktivität der DEZA insgesamt erhöhen. Mit bürokratischen Hürden einhergehende, oft auf ein Haushaltsjahr beschränkte, finanzielle Unterstützungsleistungen war ein weiterer Kritikpunkt.
Die daraus resultierenden Politikempfehlungen sind daher kurzgefasst:
Trotz aller Kritik im Einzelnen wird die Wirksamkeit der DEZA jedoch nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil ihr Potential für die Umsetzung der Agenda 2030 hervorgehoben und ein weiterer Ausbau empfohlen.
Zur Studie: OECD: Reshaping Decentralised Development Co-operation in Germany