Aktuelles

28.08.2017

Lebenswert für wen?

Ein kritisches Presseecho zum Liveability Report 2017 des Economist

Marktplatz in Breslau, Polen | © fotolia, pablo777

Anfang August hat die Economist Intelligent Unit (EIU) des britischen Nachrichtenmagazins The Economist ihren jährlichen „Liveability Report“ veröffentlicht, in dem 140 Städte weltweit daraufhin untersucht und in ein Ranking gebracht wurden, wie lebenswert das Leben dort für die Bewohner sei.

„Das Konzept der Liveability ist einfach“, schreibt der Economist in seiner kostenlosen <link https: de.scribd.com document _blank external-link-new-window des liveability report>Zusammenfassung (S.9). Jede Stadt erhält eine Bewertung anhand von über 30 qualitativen und quantitativen Faktoren in fünf Kategorien: Stabilität, Gesundheitswesen, Kultur und Umwelt, Bildung sowie Infrastruktur.

Freuen können sich über den Report vor allem wieder die Kanadier und Australier. Melbourne schaffte es zum siebten Mal in Folge auf Platz 1 und auch die australischen Städte Adelaide (Platz 6) und Perth (Platz 7) schafften es in die Top Ten. Kanada belegt mit Vancouver, Toronto und Calgary die Plätze 3 bis 6. Aus Europa schafften es nur Wien (Platz 2) und Hamburg (Platz 10) unter die vorderen Plätze. Eigentlich wenig Neues im Vergleich zu den Vorjahresberichten. Nur 12 Städte wurden als lebenswerter und sechs schlechter eingestuft im Vergleich zum Vorjahr.

Ein Grund, warum europäische Städte im Ranking insgesamt eher schlechter wegkommen, ist die wachsende Terrorgefahr in Mitteleuropa. Manchester wurde beispielsweise nach der Bombenattacke in der Manchester Arena im Mai um 8 Plätze abgewertet. <link https: www.theguardian.com cities aug manchester-global-livability-liveability-survey-arena-terror-attack-economist _blank external-link-new-window>„Is it fair to punish Manchester in 'liveability' survey after its terror attack?“ fragt daher The Guardian in seinem Artikel zum Bericht und verweist auf den “remarkable spirit” der Bewohner von Manchester als Antwort auf die Attacke. Nicht Terroranschläge, sondern die Reaktion der Bewohner darauf solle daher eher Einfluss auf die Reputation einer Stadt haben.

Die ukrainische Hauptstadt Kiew schaffte es nur auf Rang 131 und führt damit die Liste der 10 am wenigsten lebenswerten Städten an, gefolgt von Douala (Kamerun), Harare (Zimbabwe), Karachi (Pakistan), Lagos (Nigeria), Tripolis (Libyen), Dhaka (Bangladesch), Port Moresby (Papua-Neuguinea) und Schlusslicht Damaskus (Syrien). Der EIU begründet die sehr schlechte Bewertung von Kiew mit wirtschaftlicher Instabilität und vor allem dem anhaltenden Bürgerkrieg in der Donbass-Region des Landes. Dies führte zu einigen Kontroversen wie auch Empörung in den klassischen wie sozialen Medien der Stadt. Diese Bewertung fällt in eine Zeit, in der Kiew seine wachsende Attraktivität der Welt zeigen möchte, die weitgehend unabhängig von der Situation im Osten des Landes sei – so viele Bewohner Kiews.

Singapur freut sich, zum ersten Mal Honkong überholt zu haben, meldet <link http: www.channelnewsasia.com news singapore singapore-moves-above-hk-in-liveability-for-the-first-time-eiu-9128338 _blank external-link-new-window>Channel News Asia. Die <link http: timesofindia.indiatimes.com world rest-of-world melbourne-most-liveable-city-karachi-dhaka-among-the-least articleshow _blank external-link-new-window times of>The Times of India kann sich einen Hinweis darauf nicht verkneifen, dass keine indische Stadt unter den letzten zehn ist, dafür aber Dhaka und Karachi.

Doch was sagt das alles aus? Ist das Konzept der lebenswerten Stadt wirklich so einfach oder das Konzept des Economist vielleicht zu simpel? Melbourne zählt zu den 20 teuersten Städten weltweit und Hamburg inzwischen zu einer der teuersten von Deutschland. Für wen ist dort das Leben besonders lebenswert? Ein weiterer Blick in die Indikatoren zeigt: In der Kategorie „Bildung“ zählt vor allem die Verfügbarkeit und Qualität privater Bildungseinrichtungen, in der Kategorie „Infrastruktur“ gibt es unter anderem die Indikatoren „Qualität internationaler Anbindungen“ oder auch die „Verfügbarkeit von hochwertigem Wohnraum“ – nicht jedoch von preiswertem. The Online Citizen kommt daher zu dem Schluss: „<link https: www.theonlinecitizen.com economists-liveability-report-meaningless-for-non-expats _blank external-link-new-window online>Economist’s liveability report meaningless for non-expats" Der Bericht mag für globale Unternehmen bei ihrer Standortwahl interessant sein oder bei der Kalkulation von Gehaltsprämien für Führungskräfte, die in Städte mit besonders schwierigen Lebensbedingungen ziehen – mehr nicht.

Es bleibt wohl bei der alten Weisheit, nur der Statistik zu trauen, die man selber „gefälscht“ hat. Vielleicht macht es mehr Sinn, die Bewohner selber über Ihre Stadt zu Wort kommen und ihre Impressionen über ihr urbanes Leben teilen zu lassen, wie beispielsweise im sozialen <link https: www.facebook.com cityexplorationsadmin _blank external-link-new-window>Cityexplorations Network. Für den allergrößten Teil der Bewohner der 140 bewerteten Städte ist der Liveability Report jedenfalls nicht geschrieben.

------------------------------------

Autor: Burkhard Vielhaber

Die Inhalte dieses Artikels geben die Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die von Connective Cities oder einer ihrer Partnerorganisationen wieder.

 


erstellt von:
Burkhard Vielhaber, freier Redakteur bei Connective Cities


Top