Das EcoCentro in Quito

Forschung und Bewusstseinsbildung für eine Kultur des Recyclings organischer Abfälle

Übersicht

Die Stadt Quito ist als Hauptstadt Ecuadors Sitz großer Unternehmen und mit 2,65 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Im Großstadtbezirk von Quito, dem Distrito Metropolitano de Quito (DMQ) fallen täglich etwa 2.200 Tonnen gewöhnlicher Feststoffabfälle an, von denen fast 1.254 Tonnen (57%) organischen Ursprungs sind. Der Feuchtigkeitsgehalt des organischen Abfalls beträgt ungefähr 80%; aus dieser Eigenfeuchte der Abfälle entsteht Sickerwasser, welches deren Behandlung erschwert und hohe Kosten für das Empresa Pública de Gestión Integral de Residuos del Distrito Metropolitano de Quito, dem öffentlichen Unternehmen für integriertes Abfallmanagement des Großstadtbezirks Quito (EMGIRS-EP), nach sich zieht.

Gegenwärtig hat die vom EMGIRS-EP verwaltete Deponie im Gemeindegebiet El Inga aufgrund der verfügbaren Fläche eine Nutzungsdauer von noch 3 bis 5 Jahren, wobei die Umleitung der organischen Abfälle und ihre entsprechende Wiederverwertung die bestmögliche Lösung wäre. Vor diesem Hintergrund und im Rahmen des Programms „Ein müllfreies Quito“ hat das EMGIRS-EP in 2018 das Projekt EcoCentro entworfen. EcoCentro zielt darauf ab, bei der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Wiederverwertung von organischen Abfällen, die Verwendung von organischen Düngemitteln und die Anpflanzung von Gemüse und/oder Obst in städtischen Gärten zu schaffen.

Das EcoCentro zählt mit der Unterstützung der Akademie bei der Durchführung von Forschungsarbeiten zu Themen wie: Optimierung von Kompostierungs- und Vermikulturprozessen, Düngung städtischer Nutzpflanzen (Biodünger) und städtischer Stoffwechsel (Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorströme in der Stadt). Das Projekt wird ebenfalls von der Agentur für wirtschaftliche Entwicklung CONQUITO und ihrem Programm Agrupar - Partizipatives städtisches Landwirtschaftsprojekt sowie von der Lebensmittelbank Banco de Alimentos de Quito unterstützt, die die Produkte der Nutzgärten an schutzbedürftige Gruppen mit begrenztem Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln in Waisenhäusern, Pflegeheimen und Sozialstiftungen liefert.

Bei EcoCentro handelt es sich insofern um eine umfassende Initiative, der es gelingt, Räume für Sport, Freizeit und Naturschutz zu schaffen und bei den Bürgerinnen und Bürgern ein besseres Verständnis für die Verbindung zwischen Stadt und Land zu entwickeln, indem die Idee eines gesunden Lebens, eines verantwortungsbewussten Konsums und einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Ressourcen verfolgt wird.

Hintergrund

Der DMQ verfügt über einen Masterplan für integriertes Abfallmanagement (PMGIR), in dem ein Managementmodell für „ungefährliche feste Haushaltsabfälle“ ausgearbeitet worden ist, welcher die Bedeutung der Erziehung zur Abfallvermeidung und -minimierung hervorhebt. Punkt 1 betrifft die „Förderung des Wissens der Bürgerinnen und Bürger über die verantwortungsbewussten Konsumprozesse“, Punkt 2 die „Förderung des Wissens der Bürgerinnen und Bürger über die Entsorgung und Behandlung nicht gefährlicher fester Haushaltsabfälle“.

Ziele des PMGIR sind unter anderem a) die jährliche Aufklärung von Studenten (25%) und Erwachsenen (5%) über verantwortungsbewussten Konsum sowie b) die Förderung des Volumens an als biologisch abbaubar deklarierte und/oder kompostierter organischer Substanz, einschließlich der Eigenkompostierung (2% organische Substanz, die bis zum Jahr 2025 durch Eigenkompostierung behandelt wird). Hauptziel ist die Schaffung von didaktischen Bildungsangeboten, die zu einem umfassenderen Umweltbewusstsein und einer stärkeren Umsetzung durch die Bevölkerung führen. Die erzielten Ergebnisse sollen dazu dienen, die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen Gemeinden im DMQ – wie etwa die an die Deponie „El Inga“ angrenzenden Gemeinden – zu teilen.

Zur Erreichung der Ziele des PMGIR sollen die drei Schwerpunkte des Programms „Ein müllfreies Quito“ in einen physischen Raum zusammengefasst werden, um so die Bürgerbeteiligung und die Trennung von Abfällen an der Quelle zu erleichtern. Das Programm „Ein müllfreies Quito“ unterstützt die Entwicklung von Mechanismen, die die Kreislaufwirtschaft fördern und den Bürgerinnen und Bürgern umfassendere und ganzheitlichere Dienstleistungen anbieten. Die drei Hauptschwerpunkte des Programms sind: (i) wiederverwertbare Abfälle, (ii) spezieller Hausmüll und (iii) organische Abfallstoffe. 2018 entwarf das EMGIRS-P das Projekt EcoCentro im Rio Grande-Park des DMQ im Rahmen des Programms „Ein müllfreies Quito – organische Abfallstoffe“.

Das EMGIRS-EP ist das innerhalb des DMQ für das Abfallmanagement verantwortliche öffentliche Unternehmen, das für die Umladung, die Wiederverwendung, die Behandlung und die Endlagerung von festen Abfällen zuständig ist. Darüber hinaus ist das EMGIRS-EP für die Förderung und Aufklärung der Bürger in den Bereichen Abfallvermeidung, Umweltbewusstsein und Recycling verantwortlich. Die Vision des EMGIRS-EP ist es, ein innovatives und selbsttragendes Unternehmen zu sein, das als nationale und internationale Bezugsgröße in der integrierten Bewirtschaftung von festen Abfallstoffen dient. Aus diesem Grund beteiligt sich das EMGIRS-EP aktiv am Programm „Ein müllfreies Quito“.

Angesichts der Menge des täglich im DMQ anfallenden gewöhnlichen Feststoffabfalls sowie des vom PMGIR vorgeschlagenen Managementmodells und der aktuell begrenzten Kapazitäten der Deponie „El Inga“ sah das EMGIRS-EP die Notwendigkeit, neue, nachhaltigere Modelle aufzutun, die die Grundlagen des integrierten Abfallmanagements – wie z. B. die Vorsorge und Abfallvermeidung – berücksichtigen. Die Umwandlung von organischen Abfällen in Biodünger, Dünger und/oder Biogas etwa trägt zu einer Reduzierung der Agrochemikalien in der Nahrungsmittelproduktion sowie zu einer Reduzierung der für die globale Erwärmung verantwortlichen Treibhausgasemissionen bei. Hiermit wird zudem ein Beitrag zu einer erfolgreichen Bewirtschaftung von Nahrungsmitteln innerhalb ihres Lebenszyklus sowie zu einer nachhaltigen und umfassenden Abfallentsorgung geleistet.

Die öffentlichen Einrichtungen und Organe sollten angemessene politische Maßnahmen ergreifen, um die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden. Das bedeutet, dass es über die Umwandlung organischer Abfälle als solche hinaus notwendig ist, die Umwelterziehung als Hauptinstrument zur Erreichung dieses Ziels zu fördern. Grundkenntnisse im Abfallmanagement und in der Abfallvermeidung (verantwortungsbewusster Konsum, Reduzierung der Nahrungsmittelerzeugung, Eigenkompostierung) tragen zu einer Kreislaufwirtschaft und zum Umweltbewusstsein der Bevölkerung bei. Erst die Kombination beider Faktoren gab dem Projekt EcoCentro im Rio Grande Park des DMQ den Anstoß.

Ziele

Die Hauptziele des EcoCentro-Projekts sind: a) die Sensibilisierung der Bevölkerung, b) die Umwelterziehung und c) die praktische Demonstration von Alternativen für die Wiederverwendung und das Recycling von Abfällen. Einige dieser Praktiken sind z. B. die Eigenkompostierung und die angemessene Verwendung von Dung und Biodünger in Gewächshäusern, Baumschulen und Nutzgärten. Diese Praktiken stellen einen ökologischen Mehrwert innerhalb der Strategie zur Lebensmittelsicherheit dar und richten sich nach den Grundlagen der Kreislaufwirtschaft in städtischen Gebieten.

Die Mission des EcoCentro-Projekts ist die Erziehung der Bürgerinnen und Bürger zu bewussten, sensibilisierten und verantwortungsbewussten Menschen, die bereit sind, Veränderungen der Gewohnheiten und Bräuche im familiären und öffentlichen Raum zu bewirken. Allein diese Veränderungen werden zu einem bewussten Konsum, einer effizienten Ressourcennutzung und der Wiedereingliederung von Abfall- und Reststoffen in neue und innovative Wertschöpfungsketten beitragen und damit die Auswirkungen der Umweltprobleme verringern und neue Ansätze für eine nachhaltige, integrative und resiliente Wirtschaft vorantreiben.

Aktivitäten

Das EcoCentro verfügt über neun Räumlichkeiten mit einer Fläche von ca. 800 m2 für Demonstrations- bzw. Fortbildungsveranstaltungen und speziell für Bürgerinnen und Bürger entwickelten Kurse zu verschiedenen Themen, wie z. B.: Bewirtschaftung von Wurmkulturen und Heimkompostierung, biologische Eigenvergärung, angemessene Verwendung von Gewächshausdünger und städtische Bio-Gärtnereien und Bio-Nutzgärten. Darüber hinaus verfügt es über einen Raum, um die anderen zwei Schwerpunkte des Programms „Ein müllfreies Quito“ zu demonstrieren. Somit bildet es ein integriertes System, in dem verschiedene, geeignete Technologien angewandt werden, um auf didaktische Weise die Abfallaufbereitung, die nachhaltige Produktion von Energie, Wasser und Nahrungsmitteln aus ökologischem Anbau sowie den Umweltschutz zu demonstrieren.

Das EcoCentro ist zu einer neuen Praxis geworden, in der die Idee eines gesunden Lebens mit dem Anbau gesunder Nahrungsmittel, verantwortungsbewusstem Konsum und nachhaltiger Bewirtschaftung der Produktionsressourcen in Verbindung gebracht wird, wobei städtebauliche, Landschafts- und Umweltdienstleistungen angeboten werden, die sich aus den nachhaltigen landwirtschaftlichen Aktivitäten ergeben.

Zur Förderung des Umweltbewusstseins und der Umwelterziehung hat EMGIRS-EP einen "Didaktischen Leitfaden für die Heimkompostierung" entwickelt. Dieses Dokument wird allen Besuchern des EcoCentro per E-Mail zugestellt und über die sozialen Netzwerke und virtuellen Medien von EMGIRS-EP beworben. Ihr Ziel ist es, die Bürger zur Teilnahme an Umweltaktivitäten zu motivieren, Fotos von der Kompostierung in ihrem Haus zu zeigen und den Austausch von guten Umweltpraktiken zu stärken.

Wirkungen

Angesichts der Tatsache, dass das EcoCentro als didaktisches Beispiel für die Bewirtschaftung von organischem Hausmüll und zur Erleichterung der Einführung von Eigenkompostierungssystemen durch Schulungen für Bildungseinrichtungen und Einzelpersonen konzipiert wurde, wird erwartet, dass langfristig 2% der Bevölkerung die Eigenkompostierung durch Anwendung der Techniken des EcoCentro durchführen wird. Dies wird dazu beitragen, die Abfallmenge auf der Deponie um ca. 16.000 Tonnen pro Jahr zu reduzieren.

Das EcoCentro fördert die Aneignung von öffentlichem Raum mit einem sozialen Zweck; die Hauptbegünstigten sind folglich die ausgebildeten Nutzer (500 bis 5.000 Personen pro Jahr) sowie Studenten aus öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen (ca. 1.000 Studenten der Grundstufe/Sekundarstufe), die die Möglichkeit haben, die vom EcoCentro geförderten guten Umweltpraktiken kennenzulernen, zu erlernen und anzuwenden. Aufgrund der von der Lebensmittelbank von Quito gebotenen Unterstützung gibt es eine zweite Gruppe von direkten Nutznießern: die Familien und schutzbedürftigen Gruppen, die die im EcoCentro produzierten „Körbe mit Produkten aus ökologischem Anbau“ erhalten.

Die Umsetzung des EcoCentro ermöglicht außerdem die städtische Landwirtschaft mit ihren verschiedenen Komponenten:

  • eine Quelle von Möglichkeiten für die Entwicklung einer kollaborativen und Kreislaufwirtschaft
  • Förderung der sozialen Integration, des Meinungsaustauschs, der gemeinschaftlichen Verwaltung und der Nutzung des städtischen Raums, um so das Gemeinschaftsleben wiederaufzubauen
  • Versorgung mit frischen Nahrungsmitteln und Erhöhung des Selbstversorgungsanteils der Stadt mit Nahrungsmitteln, was zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger führt
  • Produktive Nutzung freier öffentlicher bzw. privater Flächen
  • Förderung von Aktionen, die der Umwelt zugutekommen, mit der Möglichkeit, Unternehmen zu schaffen und eine Quelle ökologischer Dienstleistungen zu sein
  • Recycling von organischen Abfällen für die Herstellung von Düngemitteln und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit sowie die Wiederverwendung von Materialien wie Flaschen, Reifen, Kisten u. a. für den Heimanbau auf wenig Raum, wodurch die Müllmenge in der Stadt reduziert wird
  • Produktion unter geschützten Bedingungen, um im gesamten Jahr über Nahrungsmittel zu verfügen und in Notfällen (Naturkatastrophen, unterbrochene Transport- und Kommunikationswege, Versorgungsengpässe aufgrund von sozialen Konflikten) Nahrungsmittel liefern zu können
  • Räume für adaptives Lernen und gesellschaftliches Engagement

Fazit

Wenn von den „UN-Nachhaltigkeitszielen“, „Förderung der Kreislaufwirtschaft“ und „Reduzierung des CO2-Fußabdrucks“ die Rede ist, gewinnt man oft den Eindruck, als handele es sich hierbei um Themen, die ausschließlich von Institutionen oder Unternehmen behandelt werden. Unsere Verantwortung als Bürgerinnen und Bürger geht jedoch über die Entsorgung des Abfalls im entsprechenden Behälter hinaus. In diesem Sinne hat das EcoCentro eine didaktische Bildungsalternative ins Leben gerufen, um den Umgang mit organischen Abfällen zu lehren und deren Verwendung zu lehren und zu lernen und schließlich Teil einer organischen Produktionskette im DMQ (Netzwerk städtischer Nutzgärten) zu werden.

Das Projekt EcoCentro im Rio-Grande-Park hat sich als angemessene Lösung für die Umleitung der organischen Abfälle und deren entsprechende Wiederverwertung erwiesen, welche sich aus der Bewusstseinsbildung und einer Kultur des Recyclings in der Bevölkerung ergibt. Obwohl die Eigenkompostierung in Ecuador nicht sehr verbreitet ist, könnte sie eine große Auswirkung auf die Reduzierung der Abfallmenge in Müllhalden und -deponien haben, da der Großteil der Abfälle leicht in häuslichen Kompostierungsanlagen behandelt werden kann. Angesichts der Bedeutung, die der Sensibilisierung der Bevölkerung zukommt, sowie des großen Einflusses des DMQ auf die Ernährungssicherheit plant der EMGIRS-EP für das Jahr 2021 ein zweites EcoCentro im Norden Quitos.

Die Einrichtung des EcoCentro und die gemeinsame Arbeit mit der Akademie, der Lebensmittelbank und der Privatwirtschaft hat – über die langfristige Gewährleistung der Nachhaltigkeit des Projekts hinaus – dazu gedient, Möglichkeiten zu erkunden und ein Modell zu entwickeln, das von anderen Gebietsverwaltungen bzw. Kantonen der Provinz mit entsprechenden Anpassungen bzw. Verbesserungen umgesetzt werden kann.

Kontakt

Ing. Thorben Knust

Técnico Encargado (Fachbeauftragter)

Empresa Pública de Gestión Integral de Residuos del DMQ, Ecuador (EMGIRS-EP)

knusthh(at)gmail.com

thorben.knust(at)emgirs.gob.ec

Telefon: +593 99 8059351

 

Dr. María Gabriela Dávila

Geschäftsführerin

Empresa Pública de Gestión Integral de Residuos del DMQ, Ecuador (EMGIRS-EP)

Telefon: +593 2 3930600

 

Bilder

Kategorien: Integrierte Stadtentwicklung Urban Gardening Kommunale Dienstleistungen Abfall- und Kreislaufwirtschaft
Regionen: Lateinamerika Ecuador Quito

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