Stadt im digitalen Wandel: Wie Bremen mit Carsharing den öffentlichen Raum zurückgewinnt

»mobil.punkte« als kommunaler Hebel zur Verkehrswende

Übersicht

Alle, die mit dem Auto fahren, teilen sich die Straßen. Warum nicht auch die Fahrzeuge? Das fördert der Aktionsplan »Car-Sharing für Bremen« seit 2009. Über »mobil.punkte«, Stationen im öffentlichen Raum, wird Carsharing multi- und intermodal mit den übrigen Verkehrsangeboten verflochten, insbesondere mit Bus und Bahn. Wer einen Teil des Weges mit dem Fahrrad fährt, findet an Metallbügeln Abstellplätze. Carsharing verringert Parkplatzbedarf und Verkehrsbelastung. Das ist gut für Luftreinhaltung, Lärm-und Klimaschutz – kurzum: für ein besseres Leben in der mobilen Stadt.

© Sabine Hammer

Hintergrund

Bremen ist seit den 1990er Jahren Vorreiter beim stationsgebundenen Carsharing: Aus Ökostadt Bremen e.V. heraus entstand Cambio, heute eines der größten Carsharing-Unternehmen. Von etwa 557.000 Bremerinnen und Bremern nutzen mehr als 14.000 Carsharing bei drei Anbietern. Das spart knappen Raum in der Stadt – vor allem fürs Parken. PKWs stehen meist nur herum - statistisch über 23 Stunden am Tag. In den oft engen Gassen der Hansestadt behindern Massen von parkenden Autos den Verkehrsfluss, problematisch auch angesichts der steigenden Zahl von Lieferdiensten. Mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß kommt man oft kaum noch durch - schon gar nicht mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen. Müllabfuhr, Feuerwehr und Krankenwagen bleiben stecken. Das Bremer Carsharing-Modell bringt viele Autos von der Straße – 80 Prozent der Bremer cambio-Kundschaft hat kein eigenes Auto. Das rechnet sich für sie bis ca. 10.-12.000 km Fahrbedarf pro Jahr, u.a. weil laufende Kosten wegfallen. Wer Carsharing nutzt, hat keine Parkplatzsorgen mehr und immer das passende Fahrzeug zur Hand, also auch schon einmal einen Transporter oder Minibus.

Ziele

Weniger Staus, Lärm und Luftverschmutzung: Bremen will den Verkehrsinfarkt bekämpfen. Wer auf Carsharing setzt, ist bewusster mobil, geht zu Fuß, fährt mehr Rad oder nutzt Bus und Bahn – schon allein, weil sich die hohen Kosten fürs Autofahren schlechter verdrängen lassen. Den frei werdende öffentlichen Raum will Bremen sinnvoller nutzen. Gemäß dem Leitbild »Bremen 2020« soll die Stadt ein attraktiver und innovativer Wirtschaftsraum samt lebendigen Quartieren mit hoher Lebensqualität werden. Bis zum Jahr 2020 sollen 6.000 PKW zugunsten besserer multimodaler Angebote eingespart werden.

© Stadt Bremen, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr

Aktivitäten

Der Aktionsplan zum Carsharing fußt auf dem mit Bürgerbeteiligung entwickelten Bremer »Verkehrsentwicklungsplan 2025« (VEP). Kombinationsangebote mit dem ÖPNV werden ausgebaut und stärker beworben; Carsharing Standorte in Liniennetzpläne eingetragen. Auch Firmen und Behörden sollen auf Carsharing umsteigen. Dafür wirbt Bremens Carsharing-Maskottchen Udo, »Use it. Don’t own it«. Beim Carsharing hatte der Bund lange auf die Bremse getreten: Fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen bargen Unsicherheiten für die Kommunen. Das Vorbild Bremen gab schließlich den Anstoß zum Bundesgesetz »zur Bevorrechtigung des Carsharing (CsgG)«. Nach zähem Ringen ist es seit 2017 in Kraft. Überdies regte Bremen an, umweltfreundliche Carsharing-Unternehmen mit dem ›Blauen Engel‹ zu zertifizieren – das weist den Nutzen für die Allgemeinheit nach.

Wirkungen

Beim Carsharing fahren heute 100-mal mehr e-Fahrzeuge als im Normalbetrieb. So wird die Elektromobilität gefördert; Bremen achtet darauf, dass der Strom aus regenerativen Quellen stammt. In Bremen ersetzt ein Carsharing-Fahrzeug 15 private PKW. So konnten bereits 4.500 Autos eingespart werden, Tendenz steigend. Wären stattdessen Garagenplätze gebaut worden, hätte das schätzungsweise 70-100 Millionen Euro und knappen Raum verschlungen.

Solche Ersparnisse kommen auch der privaten Immobilienwirtschaft zugute. Eine Carsharing-Station kann die teuren Auflagen zum Bau vorgeschriebener Stellplätze verringern. Tiefgaragen können sogar leicht 10 bis 15 % der Wohnbaukosten ausmachen. Carsharing ist also ein wichtiger, oft aber übersehener, Stützpfeiler für kostengünstigen Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten. Inzwischen bieten auch große Automobilhersteller Carsharing an: Der Markt wächst schnell und stetig. Wenn Fahrzeuge in Zukunft autonom fahren und Fahrgäste abholen, verliert der Besitz eines eigenen Wagens den praktischen Nutzen. Carsharing ist sichtbares Zeichen einer modernen Stadt im digitalen Wandel.

© Stadt Bremen, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr

Fazit

Multimodal vernetztes Carsharing trägt dazu bei, dass in der Stadt weniger Auto gefahren wird. Das bedeutet einen 200 bis 290 kg geringeren CO2-Ausstoß pro Nutzerin und Nutzer. Der Umstieg auf Bus, Bahn und Fahrrad wird gefördert - eine einfache und preiswerte Lösung für Verkehrsprobleme. Bremens Carsharing-Offensive hat der Stadt Drittmittelförderungen beschert und viele internationale Projekte angestoßen.

Die GIZ hat die »die acht Kostbarkeiten kommunaler Car-Sharing Förderung« in Bremen ins Chinesische übersetzt, nachdem Bremen mit seinem Carsharing-Programm zur EXPO 2010 in Shanghai eingeladen worden war. In den verkehrsüberlasteten Metropolen im Globalen Süden kann Carsharing ein wichtiger Baustein im Mobilitätsmanagement werden. Bremens Engagement ist inzwischen vielfach ausgezeichnet worden – mit dem Deutschen Verkehrsplanungspreis, außerdem vom Bundesbauministerium, zweimal von der EU, vom ADAC. Mehr Klima-, mehr Umweltschutz, mehr Lebensqualität, bessere Stadtplanung – immer wieder heißt es zu Recht »and the Winner is... Bremen«.

weitere Information

mobilpunkt-bremen.de

http://mobilpunkt-bremen.de/assets/uploads/2015/09/aktionplan_carsharing.pdf 

https://ec.europa.eu/energy/intelligent/projects/en/projects/momo-car-sharing

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg., 2016), Elektromobilität im Carsharing: Status quo, Potenziale und Erfolgsfaktoren: www.xn--starterset-elektromobilitt-4hc.de/Infothek/Publikationen/elektromobilitaet-im-carsharing-staus-quo-potenziale-und-erfolgsfaktoren/now_handbuch_e-carsharing_web_2.ueberarb.aufl.pdf

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg., 2016), Handlungsleitfaden Elektromobilität in Kommunen: www.xn--starterset-elektromobilitt-4hc.de/Infothek/Publikationen/elektromobilitaet-in-kommunen-handlungsleitfaden/elektromobilitaet_in_kommunen_-_handlungsleitfaden.pdf

Müller, Rau, Vogel (2014), Carsharing – neue Herausforderungen für Kommunen und Landkreise. In: Raumplanung (IfR), Heft 2-2014, S. 42-48: www.ifr-ev.de/raumplanung

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR 2016), Neue Mobilitätsformen, Mobilitätsstationen und Stadtgestalt: www.plan-werkstadt.de/PDF-Dateien/BBSR_Sonderpublikation_Neue_Mobilitaetsformen_final.pdf

Stand: 28.03.2018

Kontakt

michael.glotz-richter(at)umwelt.bremen.de

Michael Glotz-Richter

Freie Hansestadt Bremen.

Der Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa

Contrescarpe 72

28195 Bremen

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Kategorien: Integrierte Stadtentwicklung Nachhaltige Mobilität Öffentlicher Raum Stadt und Klimawandel
Regionen: Europa Deutschland Bremen

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