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30.04.2024

Klimapositive Städte: Kreislaufwirtschaft und CO2-Bilanzierung

Wie der Bausektor CO2-Emissionen einsparen und damit Städte klimapositiver machen kann

Thimphu aus der Vogelperspektive | Foto von Pema Gyamtsho auf Unsplash

Hintergrund

Der Bausektor ist einer der energieintensivsten Wirtschaftszweige und maßgeblich für den globalen Klimawandel mitverantwortlich – bis zu 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen werden von ihm verursacht. Doch gibt es Wege, das Bauen nachhaltiger und damit klimafreundlicher zu gestalten. Städte und Gemeinden sind wichtige Akteure, um diese Prozesse lokal zu initiieren und zu begleiten.

Bei einem virtuellen Fachaustausch von Connective Cities am 27. Februar 2024 diskutierten 18 (kommunale) Expert*innen aus sechs Ländern zwei Praxisbeispiele hierzu. Die Veranstaltung war Teil eines einjährigen Lernprozesses, der im November 2023 mit der Dialogveranstaltung Klimapositives Bauen mit zirkulären Baustoffen in Potsdam begann.

Kreislaufwirtschaft in Bhutan: biobasierte Materialien sind die Zukunft

Karma Wangchuk, Städteplaner aus Bhutan, stellte vor, wie in dem größtenteils im Himalaya gelegenen kleinen Land die Bauwirtschaft transformiert werden soll, wobei der Fokus auf einer Kreislaufwirtschaft und der Nutzung regenerativer und biobasierter Materialien liegt.

Beide Ansätze sind in Bhutan nicht neu: Viele Dörfer in der gebirgigen Landschaft sind schwer zu erreichen. Daher ist es für die Menschen schon immer einfacher gewesen, vor Ort verfügbare Materialien wie Holz zu nutzen und vorhandene Baustoffe wiederzuverwenden, als sie mühsam von außerhalb zu beschaffen. In den schnell wachsenden Städten des Landes, insbesondere in der Hauptstadt Thimphu, hat sich in den letzten Jahrzehnten dagegen ein anderer Baustil durchgesetzt. Es werden immer mehr große Häuser aus energie- und emissionsintensiven extraktiven Materialien wie Beton und Stahl gebaut. Das bedroht nicht nur das natürliche Ökosystem, sondern auch das Selbstverständnis des Landes als zutiefst nachhaltige Gesellschaft und das kulturelle Erbe.

In den Städten herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Daher will Bhutan eine grüne Transformation des Bausektors auch dazu nutzen, attraktive Jobs für junge Menschen zu schaffen und so ihre Abwanderung ins Ausland zu verhindern

Die Ideen der Kreislaufwirtschaft hat Thimphu in ihrem Strukturplan 2023 – 2048 festgelegt und darin die Vision von Synergien zwischen einer nachhaltigen Forstwirtschaft, einem robusten Bausektor mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Umwelt und gesunden städtischen Landschaften entworfen. Entsprechend sollen Holz und das besonders tragfähige Leimholz (auch Glulam genannt) als Baustoff eine zentrale Rolle spielen. Architektonisch sollen die aus Holz gebauten Häuser traditionelle bhutanische Baustile aufgreifen. So verbindet Bhutan klimaschonendes Bauen mit traditionellen Werten, einer nachhaltigen Zukunft und einer grünen Wirtschaft mit hochwertigen Arbeitsplätzen.

Diskussion

Die Teilnehmenden des Fachaustauschs wiesen darauf hin, dass solches – auch autochthon genanntes – Bauen nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sei. So könnten biobasierte Baustoffe häufig besser Temperaturen ausgleichen, was viel Energie zum Heizen oder Kühlen von Gebäuden einspare. Allerdings sei es für die Nutzung von Holz als Baustoff notwendig, dass es vor Ort in ausreichender Menge nachhaltig produziert werden könne. Dies sei in Bhutan der Fall, in Deutschland würden dagegen etwa 40 Prozent des genutzten Holzes importiert werden. Es gehe hier also auch darum, globale Klimagerechtigkeit herzustellen. Zudem zeigten sich die Teilnehmenden beeindruckt davon, wie viel heute aus traditionellen Wirtschaftskreisläufen gelernt werden könne. Allerdings gebe es auch noch viele offene Fragen, etwa zur Sicherheit von wiederverwerteten Materialien.

„Wir können nicht als abfallproduzierende Gesellschaft überleben, denn unsere Ressourcen sind begrenzt.“ Karma Wangchuk

Für klimapositive Städte und Kommunen: CO2-Bilanzierung

Matthias Schäpers, Senior-Projektleiter der Initiative Klimapositive Städte und Gemeinden bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), erläuterte, wie CO2-Bilanzierung dazu beitragen kann, dass der Bausektor klimafreundlicher wird. Die DGNB verfügt über ein System für die Zertifizierung nachhaltigen Bauens, die den Lebenszyklus eines Gebäudes, dessen ökologische, wirtschaftliche und soziale Performance sowie die Ganzheitlichkeit eines Bauprojekts in den Blick nimmt. Auch bei der Nachhaltigkeit von Quartieren gehe es nicht nur um CO2-Emissionen, sondern auch um Biodiversität, Resilienz, Gesundheit und Klimafolgenanpassung. Bis die hohen Emissionen, die während der Bauphase eines Gebäudes entstehen, während dessen Nutzung kompensiert werde, könne es sehr lange dauern. Deshalb sei es so wichtig, sich beim Schaffen von Wohnraum auf die Nutzung des Gebäudebestands zu konzentrieren, so Schäpers.

Der 2020 begründeten DGNB-Initiative „Klimapositive Städte und Gemeinden“ haben sich bereits 85 deutsche Kommunen angeschlossen. Sie haben sich einer umfassenden Nachhaltigkeit als lokalen Standard verpflichtet und nehmen dafür Klimaschutz und Klimafolgenanpassung in Bereichen wie Mobilität, Böden, Gesundheit, Wasserkreislauf und Recycling-Fähigkeit in den Blick – also nicht nur CO2-Emissionen.

Wann aber ist eine Kommune klimapositiv? Zentrale Faktoren sind laut Matthias Schäpers der Energiekonsum, alle in der Kommune erzeugten Emissionen auch aus Landwirtschaft und Abfallmanagement, Landnutzung, Stadtplanung und -entwicklung sowie die übergreifende soziale, sozioökologische Transformation der Stadtgesellschaft, Partizipation und Inklusion und schließlich positive Zukunftsvisionen. Schließlich seien vor allem psychologische Aspekte entscheidend, so Schäpers: Die Menschen müssten in einer klimapositiven Stadt leben wollen und deren Vorzüge wertschätzen. Das sei auch der Schlüssel dafür, technische Herausforderungen zu meistern.

Diskussion

Die CO2-Bilanzierung ist ein komplexes Modell, das auf umfangreichen Messungen basiert. Ein solches System ist sehr attraktiv, lässt sich in vielen Ländern aber nicht implementieren – entweder weil Daten nicht verfügbar sind oder weil die Ressourcen für ein solch großes Unterfangen fehlen. Die Teilnehmenden gaben zudem zu bedenken, dass die CO2-Bilanz des Bausektors zu einem großen Teil aufgrund von Heizen und Kühlen während der Nutzungsphase von Gebäuden so schlecht sei. Daher müsse die Hauptanstrengung darauf liegen, weniger fossile Brennstoffe zu nutzen. Entsprechend verfolgt die Initiative zu klimapositiven Kommunen auch einen umfassenden Ansatz, der an vielen Punkten ansetzt, um Städte und Gemeinden klimafreundlicher zu gestalten.

„Wir müssen Tempo machen, damit mehr Kommunen klimapositiv werden. Nicht jede Kommune muss das Rad neu erfinden. Es gibt bereits viele sehr gute Ansätze.“ Matthias Schäpers

Fazit

Weltweit müssen Kommunen dem Klimawandel entgegenwirken und sich auf dessen Folgen einstellen. Der Bausektor und die Stadtplanung spielen hierbei eine zentrale Rolle. Weil die Herausforderungen überall ähnlich sind, können Kommunen von den Erfahrungen anderer lernen – etwa von der Strategie in Bhutans Hauptstadt Thimphu zum klimafreundlichen Bauen. An anderen Orten entwickelte Konzepte können sie in ihren jeweiligen Kontexten implementieren. So bietet die in Deutschland verfolgte Idee von klimapositiven Kommunen viele Ideen zur (teilweisen) Nachahmung. Der Lernprozess von Connective Cities zu klimapositivem Bauen läuft noch bis Oktober 2024. Eine internationale Veranstaltung wird eine Bilanz ziehen und den Übergang zu weiteren Möglichleiten des Engagements aufzeigen.

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Weitere Informationen / Präsentationen:

Circular Economy 2025: Bio-based Materials for Construction
Präsentation von Karma Wangchuk, CEO Ka-Ja Design Associates, Bhutan

Climate Positive Cities and Municipalities
Präsentation von Matthias Schäpers, Senior-Projektleiter der Initiative Klimapositive Städte und Gemeinden bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB)


erstellt von:
Connective Cities


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