Aktuelles

14.12.2023

Die Bedeutung eines guten Regen- und Sturmwassermanagements in der wassersensitiven Stadtplanung

Bericht von der virtuellen Connective Cities Abschlussveranstaltung des einjährigen Lernprozesses am 27. November 2023.

Grafik: Florence Dailleux

Strategien zur Klimafolgenanpassung: Regen- und Sturmwassermanagement

Kommunen weltweit müssen sich angesichts der globalen Erderwärmung gegen Extremwetterereignisse wappnen. Diese zeigen sich unter anderem in Form von Stürmen und Starkregen, bei denen innerhalb kurzer Zeit große Regenmassen abfließen müssen und die Pegel der Flüsse ansteigen. Die Katastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal im Juli 2021 hat gezeigt, dass auch in Deutschland mit massiven Extremwettereignissen gerechnet werden muss. In anderen Teilen der Welt sind massive saisonale Regenfälle und Überflutungen schon lange Realität und werden durch den Klimawandel noch verstärkt. Wie können Städte die Risiken für Bevölkerung und Infrastruktur mindern und im Ernstfall schnell reagieren? Zu dieser Frage förderte Connective Cities einen praxisorientierten Fach- und Erfahrungsaustausch. Ziel des Lernprozesses war und ist es, kommunale Expert*innen aus Deutschland und aus anderen Weltregionen miteinander zu vernetzen, den Austausch von praxisnahem Know-how zu fördern und neue Lösungsansätze zu entwickeln.

Lernprozess startete mit einer Dialogveranstaltung 2022 in Köln

Im Dezember 2022 organisierten Connective Cities und die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) in Kooperation mit United Cities and Local Governments (UCLG) in Köln eine internationale Dialogveranstaltung zum Umgang mit Sturm- und Starkregenwasser. Insgesamt 41 Fachleute aus 16 Städten und acht Ländern nahmen an der Veranstaltung teil. Sie präsentierten aktuelle Vorhaben aus ihren Kommunen, nutzen die Gelegenheit zur kollegialen Beratung, tauschten Ansätze aus, wie sich die Risiken von Starkregen- und Sturmwasserereignissen für Menschen und die kommunale Infrastruktur minimieren lassen und diskutierten über neue Projektideen. Die Dialogveranstaltung war der Auftakt eines einjährigen Lernprozesses, in dem die Kontakte und Ideen genutzt werden sollten, um das Thema wassersensitive Stadtplanung weiter voranzubringen – sowohl in den eigenen Kommunen als auch städte- und länderübergreifend.

Abschluss des Connective Cities Lernprozesses

Gut ein Jahr später endete der Lernprozess nun mit einer virtuellen Abschlussveranstaltung. Am 27. November 2023 trafen sich noch einmal 12 Teilnehmende, um von ihren Erfahrungen und Aktivitäten zu berichten. Dabei standen folgende Fragestellungen auf der Agenda: 

  1. Inwiefern haben die Dialogveranstaltung und der Lernprozess die eigene Arbeit in der Kommune oder im kommunalen Unternehmen beeinflusst? Wurden dadurch Veränderungen angestoßen?
  2. Wurden Kontakte aus dem Netzwerk genutzt, um sich weiterführend fachlich auszutauschen?
  3. Welche Projektideen konnten weiterentwickelt werden? Gab es weitere Treffen oder Expertenentsendungen?  

Andreas Wolter, Bürgermeister der Stadt Köln, richtete einige einleitende Worte an die kommunalen Expert*innen. Er unterstrich die Dringlichkeit und Bedeutung des Themas und zog eine Verbindung zur  internationalen Klimakonferenz COP28, die am 30. November 2023 in Dubai beginnen sollte. Politiker*innen und Verwaltungen müssten eng zusammenarbeiten und gemeinsam Lösungen finden – auch in der entwicklungspolitischen Projektarbeit, forderte er. 

Nachdem sich die Teilnehmenden in zwei fünfminütigen Runden jeweils zu dritt über ihre Erwartungen an das Treffen und die Erkenntnisse aus dem Lernprozess ausgestauscht hatten, stellten die Vertreter*innen aus Köln, Zarqa (Jordanien), Düsseldorf, Mannheim, Heidelberg und Banjul (Gambia) anhand der vorgegebenen Fragen ihre Erfahrungen im virtuellen Plenum vor. 

Berichte aus Köln, Zarqa und Düsseldorf

Köln:  Dr. Martin Cassel und Maria Ceylan berichteten, dass die Stadtentwässerungsbetriebe Köln während der Dialogveranstaltung den Kontakt zum Istanbul Policy Center-Sabanci University-Stiftung Mercator Initiative genutzt haben, um einen Fachaustausch mit der Stadt Istanbul zum Thema Integrated Water Research zu initiieren. Bei einem Runden Tisch zum Thema water-conscious city in Istanbul im April 2023 konnte die Delegation aus Köln ihr Schwammstadt-Konzept vorstellen. Eine Expert*innengruppe aus Istanbul war im August 2023 zu einem weiteren Fachaustausch in Köln.
Auch nahm Dr. Martin Cassel als Experte an dem von Connective Cities und der Globalen Initiative Katastrophenrisikomanagement durchgeführten Lernprozess „Flood Management for Risk informed Urban Development“ teil. Er reiste zu einem Treffen im April 2023 in Windhoek und nahm an einem weiteren Treffen in eThekwini im November 2023 teil. Herr Cassel konnte auf diesen Treffen in den Austausch mit anderen kommunalen Fachleuten treten und wertvolle Kontakte knüpfen.
Innerhalb der Stadtentwässerungsbetriebe werden derzeit mehrere Projekte zum Thema Wasser und Klimafolgenanpasssung bearbeitet. Eines davon ist ein digitaler Regenkompass, um die Bürger*innen für das Thema zu sensibilisieren und im Gefahrenfall zu warnen. Köln sei in Deutschland führend bei der Starkregen- und Überflutungsschutzvorsorge, betonte Dr. Martin Cassel. Ihm sei sehr daran gelegen, Wissen zu teilen und auch für andere Kommunen zugänglich zu machen. 

Zarqa: Mohammad Alzawahreh aus der jordanischen Stadt Zarqa konnte wichtige Impulse aus der Dialogveranstaltung in Köln mit nach Hause nehmen. Dabei habe er vor allem von den Peer-to-peer Beratungen profitiert und einige nicht-konventionelle Ansätze kennengelernt, die keine großen Ingenieursleistungen benötigen. Als Vertreter der Zivilgesellschaft mit guten Kontakten zur Stadtverwaltung konnte er Fortbildungen zum Thema Regen- und Sturmwassermanagement anregen. Aktuell beschäftigt sich die Stadt Zarqa damit, GIS-basierte Wasser- und Regenkarten zu erstellen. Ein wichtiges Anliegen ist ihm, die Bevölkerung zu erreichen und miteinzubeziehen – zum Beispiel bei der Überflutungsschutzvorsorge, aber auch beim sensiblen Umgang mit Trink- und Regenwasser.

»Ich habe aus der Veranstaltung in Köln zwei wichtige Erkenntnisse mitgenommen: Der Ansatz der Peer-to-Peer-Beratung ist sehr fruchtbar, und es lohnt sich, über unkonventionelle Konzepte im Sinne von naturbasierten Lösungen nachzudenken, bevor man ingenieurtechnische Lösungen einsetzt.«
Mohammad Alzawahreh, Zarqa, Jordan

Düsseldorf: Das Amt für Stadtplanung in Düsseldorf entwickelt gemeinsam mit einem großen Investor aktuell das urbane Quartiersprojekt METRO Campus – mit einem besonderen Fokus auf nachhaltigem Wassermanagement im gesamten Areal. Marie-Luise Colditz von der Stadt Düsseldorf hatte das Projekt bereits auf der Dialogveranstaltung vorgestellt. Im Mai 2023 konnte eine bereichsübergreifende Workshop-Reihe zum Umgang mit Starkregenereignissen realisiert werden, die die Mitarbeitenden verschiedener am Entwicklungsprozess beteiligten Ämter adressierte. Weitere Treffen haben mit den Abteilungen für Verkehrsplanung/ Stadtentwässerung und Freiraumplanung/ Stadtentwässerung stattgefunden. Hier konnten gemeinsame Ziele für den Umgang mit Regenwasser festgelegt werden. 

Das Thema Schwammstadt steht auch in Mannheim wie in Banjul (Gambia) weit oben auf der Agenda. Dazu führt die Kommune aktuell eine Modellstudie gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt durch. In Heidelberg wurde die Feuerwehr zum Thema Starkregen geschult. Sowohl in Heidelberg als auch in Banjul wird die Notwendigkeit gesehen, die Bevölkerung zum Umgang mit Starkregen und Überschwemmungen besser aufzuklären. 

UCLG Peer Learning Note

Claudia Ribosa vom Weltverband der Kommunen United Cities and Local Governments (UCLG) präsentierte die Veröffentlichung einer Peer Learning Note, die im Nachgang zur Dialogveranstaltung entstand und diese inhaltlich und methodisch zusammenfasst. Sie beinhaltet alle vorgestellten kommunalen Beispiele, resümiert die wichtigsten Lernmomente des Treffens und fasst die zentralen Empfehlungen zusammen, die die Teilnehmenden 2022 herausgearbeitet hatten. Dazu gehören: 

  1. Einbeziehung von natur-basierten Lösungen als Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Infrastrukturansätzen
  2. Mechanismen für eine akteursübergreifende Koordinierung des Hochwassermanagements
  3. Verbesserung der Kommunikationssysteme
  4. Überprüfung der Versicherungs- und Ausgleichsfinanzierungssysteme für lokale und regionale Verwaltungen
  5. Einbeziehung von Risikoabschätzungen in Planungsprozesse

UCLG (2023): Pear Learning Note #33: Water Sensitive Urban Planning in times of Climate Change

 
In Kontakt bleiben und Expertise teilen

Zum Abschluss der Veranstaltung richtete sich der Blick auf die Möglichkeiten einer weiteren Zusammenarbeit. Sina Webber von Connective Cities bot weitere Unterstützung durch das Netzwerk an: Auf Wunsch können weitere Treffen oder Expertenentsendungen organisiert werden, auch die Vermittlung von weiterer Fachexpertise aus dem Connective-Cities-Netzwerk oder die Veröffentlichung von guten Beispielen aus der kommunalen Praxis auf der Website sind möglich. 

Auf einem interaktiven Miro-Board in Form einer „Suche und Biete-Börse“ trugen die Teilnehmenden dann ihre Gesuche oder Angebote bezüglich der weiteren Zusammenarbeit ein.

Expertise wird aktuell gesucht zu den Fragen:

  • Wie kann ein gutes Regenwassermanagement bereits in einem frühen Planungsstadium etabliert werden?
  • Wie kann die Politik überzeugt werden, dem Thema Starkregenvorsorge und -management eine hohe Priorität einzuräumen?
  • Wie kann die Infrastruktur in bereits bestehenden Gebieten zu einer klimaangepassten umgebaut werden? Wie kann dieser Prozess bereichsübergreifend organisiert werden? 
  • Wie kann das Thema Regen- und Sturmwassermanagement in Zarqa strategisch angegangen werden? Zum Beispiel auch mit Unterstützung einer Expertenentsendung. 

Expertise wird gerne geteilt zu folgenden Themen: 

  • Vorsorgemaßnahmen und Aufklärung der Bevölkerung bei Starkregenereignissen 
  • Umsetzung eines Regenwassermanagements bei der Planung neuer Bauvorhaben
  • Bürgerbeteiligungsprozesse im Hochwasserrisikomanagement
  • Risikomanagement und Risikoabbildung
  • Starkregenvorhersage und -erkennung durch intelligente Messtechnik in topografisch exponierten Gebieten
  • Modellierung von Hochwasserereignissen – Machbarkeitsstudien zu Präventionsmaßnahmen

Weitere Informationen:
Rückblick auf die Dialogveranstaltung „Wassersensitive Stadtplanung: Wie lässt sich Starkregen und Sturmwasser besser managen?“ in Köln, Dezember 2022. 


erstellt von:
Julia Krakau in Zusammenarbeit mit Burkhard Vielhaber


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