Für die kurzfristige Unterbringung von evakuierten Menschen sind Kommunen häufig gut vorbereitet. Können die Betroffenen jedoch über Wochen oder Monate nicht in ihre Wohnungen oder Häuser zurückkehren, fehlen vielerorts Konzepte. Darüber, wie sie die mittel- bis langfristige Unterbringung von evakuierten Menschen verbessern können, tauschten sich 27 Fachleute aus Deutschland, Jordanien, Somalia und den Philippinen bei einer Connective-Cities-Dialogveranstaltung vom 20. bis 22. März 2023 in Köln aus.
Thematisch spannte das Programm einen großen Bogen – von einem weltweiten Überblick über die Anzahl der Menschen, die ihren Wohnort aufgrund von Konflikten oder extremen Naturereignissen verlassen müssen, bis hin zu Praxisbeispielen der Unterbringung von Geflüchteten in Deutschland und zum intensiven Stakeholder-Kommunikation in der philippinischen Stadt Makati.
Während der Diskussionen teilten die Teilnehmenden kreative Ideen, wie Notunterkünfte besser bereitgestellt werden können, etwa durch die Einbindung der Hotelindustrie. Besonderes Interesse fanden Ansätze dafür, die Bedürfnisse der betroffenen Menschen besser zu verstehen und sie zu befähigen, sich selbst zu helfen.
Bei einer Exkursion in den Kreis Ahrweiler erfuhren die Teilnehmenden, wie 300 Geflüchtete während der „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler untergebracht wurden. Als zweite Station ihrer Exkursion besuchten sie eine Tiny-House-Siedlung in der Gemeinde Grafschaft, wo nach wie vor Opfer der Flutkatastrophe 2021 unterkommen.
Stefan Martini von der Feuerwehr Köln, forderte einen Perspektivwechsel des Katastrophenmanagements zur Notunterbringung von Evakuierten. Es müsse nicht immer um eine allumfassende Versorgung der Betroffenen gehen, sondern vielmehr darum, diese Menschen möglichst schnell und gut in die Lage zu versetzen, sich stärker selbst zu helfen. Dafür sei oft schon die Bereitstellung von Strom und WLAN ein wichtiger Schritt.
Elise Filo vom Internal Displacement Monitoring Centre in Genf informierte darüber, dass im Jahr 2021 etwa 38 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten, primär aufgrund wetterbedingter Katastrophen. Es sei sehr schwierig, an verlässliche Daten zu kommen, die für die Planung des Katastrophenmanagements aber eine wichtige Grundlage darstellten.
Liza Velle Ramos von der Stadtverwaltung Makati auf den Philippinen berichtete, wie sich die Stadt auf Erdbeben und andere Gefahren vorbereitet. Kern der Strategie sei eine aktive Kommunikation mit der Bevölkerung – insbesondere über Social Media, regelmäßige Veranstaltungen und weitreichende Katastrophenschutzübungen.
Malte Mühlenhof vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe stellte die mobile Betreuungsreserve des Bundes für den Zivilschutz vor. Geplant sind mehrere mobile Unterkunfts- und Betreuungseinrichtungen für jeweils 5.000 Menschen, die in Notlagen schnell aufgebaut werden und weitestgehend autark wie eine mobile Kleinstadt funktionieren können.
Nils Jakubeit, Projektmanager beim Technischen Hilfswerk, stellte die Sphere Standards vor, die international anerkannte Mindeststandards für die Kernbereiche der humanitären Nothilfe festlegen, unter anderem zu Notunterkünften. Anschließend präsentierte er die Mass Shelter Capability Tool Box. Dieser Werkzeugkasten kann Entscheidungsträgerinnen und –träger bei der Unterbringung einer großen Anzahl von Menschen nach einer Katastrophe mit Empfehlungen und Handreichungen sowie mit Musterplänen für Camps unterstützen.
Die notwendigen Grundlagen für die kurzfristige Unterbringung von evakuierten Menschen existieren in vielen Kommunen, so das positive Fazit der Veranstaltung. Allerdings gebe es noch großen Verbesserungsbedarf.
Trotz unterschiedlicher Gegebenheiten von Ort zu Ort seien die Herausforderungen bei der Unterbringung von evakuierten Menschen oft ähnlich. Ein zentraler Punkt dabei sei, die tatsächlichen Bedürfnisse der untergebrachten Menschen, aber auch deren Fähigkeiten zur Selbsthilfe stärker in den Blick zu nehmen und nicht nur auf Basis der eigenen Expertise deren Unterbringung zu gestalten. Die Einbindung der Bevölkerung sei auch bei der Planung des Katastrophenmanagements unverzichtbar. Dasselbe gelte auch für einen holistischen Ansatz für die Zusammenarbeit aller relevanten Akteursgruppen.
Schließlich vereinbarten die Teilnehmenden, in Zukunft weiter gemeinsam an der Verbesserung der Unterbringung von Evakuierten an der Schwelle von der kurzfristigen zur mittel- bis langfristigen Unterbringung zu arbeiten – mit einem besonderen Fokus auf die Konzepte für die Unterbringung von Evakuierten in Hotels.
Dokumentation:
Nicht nur für eine Nacht: Notunterbringung für evakuierte Menschen
Wie Kommunen auch mittel- bis langfristige Notunterkünfte bereitstellen können
[pdf, 9 Seiten, 1,33mb]