Den Großteil ihres Geldes geben die Bewohnenden El Altos für Nahrungsmittel aus, ohne sich damit gesund ernähren zu können. Ihre Innenhöfe jedoch bieten Platz für ein kleines Gewächshaus und einen Stall für Hühner und Meerschweinchen. Damit können sie sich ausgewogener ernähren, die schulischen Leistungen ihrer Kinder verbessern, durch den Verkauf etwas hinzuverdienen und ihre soziale Situation insgesamt stabilisieren.
El Alto, ehemaliger Slum der Hauptstadt La Paz, liegt mit mehr als einer Million Einwohnern auf 4000 Meter Höhe. Sie ist eine der ärmsten Städte Lateinamerikas und gehört zu den am schnellsten wachsenden weltweit. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist unter 19 Jahre alt. Der Großteil der Bevölkerung schlägt sich im informellen Sektor durch und kann kaum lesen und schreiben. Einkommen von bis zu 200 Dollar im Monat erzielen nur die wenigsten. Unter dieser Situation und der vorherrschenden Mangelernährung leiden vor allem die Kinder. Die städtische Verwaltung ist heillos überfordert und wenig imstande, daran etwas zu ändern. Um die täglichen Belange des Stadtviertels kümmern sich vor allem die Familien, die in knapp 600 Nachbarschaftsräten organisiert sind. Über sie und die Frauen läuft auch das Projekt zur landwirtschaftlichen Selbstversorgung von FOCAPACI.
Wichtigster Träger des Projekts ist das Sozialwerk Focapaci, das Zentrum für Bildung und Weiterbildung für Bürgerbeteiligung der katholischen Kirche. Es arbeitet mit Frauen und Müttern zusammen und zielt mit der landwirtschaftlichen Selbstversorgung darauf ab, die Ernährung der Frauen und Familien zu verbessern, ihnen wichtige Kenntnisse in der Aufzucht und der Pflege von Nutzpflanzen und Tieren zu vermitteln, mit ihnen Wirtschaftstrukturen aufzubauen und einen Zugang zu lokalen Märkten herzustellen und ihr Einkommen zu erhöhen.
In Bürgerversammlungen wird das Vorhaben 2011 vorgestellt. Hunderte von Frauen finden sich bereit mitzumachen. In Erzeugergemeinschaften von zehn bis 15 Frauen organisiert, besprechen sie wöchentlich das weitere Vorgehen, stellen Lehmziegel her und bauen Boden und Wände der Gewächshäuser. Dafür bekommen sie die Hälfte der Baukosten von Focapaci ersetzt sowie das lichtdurchlässige Dach gebaut. Die Aufzucht von etwa 20 Gemüseorten, Obst, Hühnern und Meerschweinchen erlernen sie mit Unterstützung von Fachleuten während der Arbeit. So ziehen sie Feldsalat in Beeten hoch, Erdbeeren beispielsweise auf Regalen entlang der Wände, Karotten und Kohl auf dem Boden und Kräuter und Paprika in alten Plastikflaschen. Durch kleine Verträge zum Beispiel mit Kindergärten werden Überschüsse gemeinsam vermarktet und auf den Wochenmärkten verkauft. Allerdings bedeutet dies eine große Herausforderung für die Frauen, da sie zum einen Institutionen und Elternbeiräte durch intensive Gespräche bewegen müssen, für die gesunden Lebensmittel mehr zu bezahlen. Zum andern sind sie es nicht gewohnt, ihre Erzeugung auf einen Absatzmarkt hin auszurichten.
Durch den Anbau ihrer landwirtschaftlichen Produkte können die Familien ihre Ernährung deutlich verbessern. Auch die 70 Kinder, zwischen sechs und 13 Jahren alt, profitieren im Kinderhort Kürmi von der täglichen Lieferung an Obst und Gemüse: Laut pädagogischen Mitarbeitern ist ihre Ernährung ausgewogener, sie sind aufmerksamer, können besser lernen und erzielen gute schulische Leistungen. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Frauen nun zu Hause ihrer Arbeit nachgehen und mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Zudem erhöht sich das Familieneinkommen durch den Verkauf der Überschüsse auf den Wochenmärkten, verbessert sich die Selbstverwaltung und die Buchhaltung der Erzeugergemeinschaften und steigt die soziale Anerkennung der Frauen im Alltag. Durch den gegenseitigen Austausch und durch regelmäßige Fortbildungen lernen sie weitere Produktionsmethoden kennen, beispielsweise mit dem knappen Gut Wasser sehr sparsam umzugehen und die Pflanzen mit Hilfe einer Tröpfchenbewässerung aufzuziehen.
Das Projekt wird fortgeführt und es besteht die Absicht, Gewächshäuser auch neben Schulen zu bauen, um damit anschaulich das Bewusstsein der Kinder und der Bewohner des Stadtviertels für Umwelt, Naturschutz und gesunde Ernährung zu erhöhen und sie anzuregen, ebenfalls in ihren Innenhöfen aktiv zu werden. Auch ein Bauernhof soll vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene gebaut werden – sofern ausreichend Spendenmittel aus Deutschland, Europa oder den USA eintreffen. Gestärkt durch ihre Erfolge und unterstützt durch Focapaci beteiligen sich die Frauen zusammen mit den Nachbarschaftsräten auch an Stadtentwicklungsprozesse, treten für die Legalisierung ihrer schnell wachsenden, informellen Siedlungen und Stadtviertel ein und beginnen, zunehmend selbstbewusster auf eigenen Füßen zu stehen.
Centro de Formación y Capacitación para la Participación Ciudadana FOCAPACI
El Alto, La Paz - Bolivia
T 00591-2-2193158, 2834561
focapaci(at)yahoo.es / focapaci(at)fundase-bolivia.org
COMUNDO
Luzern, Schweiz
T 0041-58 541100
info(at)comundo.org