Im Rahmen einer Connective Cities Expertenentsendung im Februar 2018 berieten drei Expertinnen und Experten für Abfallwirtschaft aus Deutschland die brasilianische Stadt Jundiaí (Bundesstaat Sao Paulo) zur Frage, wie die Abfalltrennung optimiert und gleichzeitig der informelle Sektor in die Abfallwirtschaft integriert werden kann. Die Expertenentsendung kam zu Stande im Rahmen der Connective Cities Dialogveranstaltung in Hamburg Ende November 2017. Dort hatte der Leiter der städtischen Abfallwirtschaft von Jundiaí zusammen mit weiteren Expertinnen und Experten eine Projektidee skizziert, für deren Konkretisierung die Expertenentsendung angefragt wurde. Die Entsendung wurde in Koordination mit der Technischen Universität Braunschweig durchgeführt.
Vom 26. bis 28. Februar 2018 besuchten eine Expertin und ein Experte von der Stadtreinigung Hamburg sowie ein Experte des Landkreises Kassel öffentliche Einrichtungen wie Rathaus und Schule sowie eine privat betriebene Umladestation und Aufbereitungsanlagen. Dabei trafen sie sich mit dem Bürgermeister und Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Verwaltung des städtischen Abfallmanagements, des informellen Sektors („Catadores“), privaten Abfallentsorgungsunternehmen, von Kooperativen und mit Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden.
Am ersten Tag der 2,5-tägigen Mission besuchten die Experten verschiedene Stationen der lokalen Abfallwirtschaft (Transferstationen, Sammelstelle, Kompostprojekt) sowie ein Schulprojekt. Der zweite Tag war Besprechungen und gemeinsamen Analysen der aktuellen Situation mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt sowie mit Vertretern von privatwirtschaftlichen Akteuren gewidmet. Die Expertenentsendung schloss mit einem öffentlichen Workshop, in dem die Teilnehmenden zum einen die in Hamburg und Kassel angewandten Lösungsansätze für eine nachhaltige Abfallwirtschaft präsentierten und in den Dialog mit dem Publikum traten.
Während der Entsendung wurden zwei große Herausforderungen identifiziert: Zum einen die Übertragung der Sammlung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen an private Unternehmen. Diese sorgen zwar für ein sauberes Stadtbild, trennen Haushaltsabfälle und Wertstoffe aber unzureichend und deponieren den Großteil der Abfälle unbehandelt. Dies belastet nicht nur die Klimabilanz der Stadt, sondern erschwert auch eine effektive Verwertung der enthaltenen Wertstoffe. Zum anderen die Integration des informellen Sektors, deren Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung unzureichend sind. Das 2010 auf nationaler Ebene verabschiedete Abfallgesetz bildet einen wichtigen Rückhalt für die in Jundiaí angestrebten Verbesserungen.
Für die Verbesserung des Abfallmanagements in Jundiaí wurden Empfehlungen entwickelt, zu denen eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, ein Registrierungs- und Autorisierungssystem für die Abfallsammler („Catadores“), die Definition von Zielwerten für verbindliche Verwertungsquoten für die privaten Abfallunternehmen sowie die Errichtung einer einfachen Kompostieranlage als Pilotprojekt gehören.
Im Rückblick zeigte sich, dass über die Erfahrung und Expertise hinaus der Beitrag der Vertreterinnen und Vertreter der deutschen kommunalen Abfallwirtschaft auch darin bestand, eine externe und unabhängige Sichtweise einzubringen. Dadurch wurden insbesondere Potentiale zur Verbesserung der Aufgaben- und Kostenteilung zwischen städtischer und privater Abfallwirtschaft aufgezeigt. Die Offenheit und das Interesse der kommunalen Verwaltung in Jundiaí und deren Unterstützung bei der Organisation des Dialogs mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft und des informellen Sektors waren weitere Erfolgsfaktoren für die Expertenentsendung und werden auch bei der künftigen Umsetzung der Projektidee entscheidend sein. Connective Cities prüft nun mit den beteiligten Akteuren, wie die entwickelten Empfehlungen umgesetzt werden können.