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15.11.2024

Auf dem Weg von verschmutzen Bachläufen zu grün-blauen Korridoren

Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums Teil V zu den Aktivitäten und Wirkungen von Connective Cities

Foto: Institute of Urban Development, Vinnytsia

Als die ukrainische Stadt Vinnytsia von 2019 bis 2021 an dem Lernprozess von Connective Cities zu an den Klimawandel angepasster Stadtentwicklung teilnahm, war dort die Welt noch eine andere. Der seit Februar 2022 herrschende Krieg in der Ukraine hat die Prioritäten der Kommunalverwaltungen gewaltig verschoben. Die Renaturierung kleiner Flüsse, die Vinnytsia im Rahmen des Lernprozesses begann, bleibt dort aber ein wichtiges Vorhaben, denn es ist ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Zukunft der Stadt.

Ökologisches, städtebauliches und soziales Potenzial erkannt

64 kleine Flüsse oder Bäche fließen durch die 260 Kilometer südwestlich von Kyjiw gelegene Stadt mit etwa 370.000 Einwohner*innen. Ihr Potenzial wurde lange unterschätzt, die Menschen nannten sie nur „stinkende Bäche“, sie waren häufig vermüllt oder wurden unter die Erde verlegt, die Wasserqualität war miserabel. Heute weiß die Stadtverwaltung, wie viel ökologisches, städteplanerisches und soziales Potenzial diese Wasserläufe und ihre Ufer bergen – als grün-blaue Korridore, als Naherholungsräume und zum Schutz und zur Förderung von Biodiversität. „Anfangs hatten wir keine Vorstellung davon, was die Renaturierung eines Wasserlaufes alles umfasst. Wir dachten, es reiche aus, die Bäche vom Müll zu befreien“, erinnert sich Yanna Chaikovska, Direktorin des kommunalen Instituts für Stadtentwicklung in Vinnytsia.

Von anderen lernen – die Grundidee von Connective Cities

Doch die Dialogveranstaltung von Connective Cities in Dortmund im September 2019 und der anschließende Austausch mit Fachleuten der Emschergenossenschaft und des Lippeverbands im Folgejahr zeigten ganz neue und weitreichendere Möglichkeiten zur Revitalisierung der Bäche auf. Die Expert*innen aus Deutschland berichteten den Kolleg*innen in Vinnytsia, wie Flussrevitalisierungen und die ökologische Sanierung kleiner Flussgebiete in Deutschland geplant und umgesetzt werden. Sie wussten, wovon sie sprachen, denn die Emscher und ihre kleineren Nebenflüsse wurden im früher durch die Schwerindustrie geprägten Ruhrgebiet im Rahmen des postindustriellen Strukturwandels aufwändig restauriert.

Auch beim Austausch mit regionalen Fachleuten bei zwei Veranstaltungen von Connective Cities zur Klimaresilienz in Südosteuropa und im Kaukasus im Jahr 2020 konkretisierten die Verantwortlichen aus Vinnytsia ihre Ideen, wie sie die Renaturierung kleiner Flüsse angehen wollen. Ihre Planung: zunächst als Pilotprojekt den kleinen städtischen Fluss Diohtianets revitalisieren.

Fachliche Erkenntnisse fanden politisches Gehör

Die positive Einschätzung des Potenzials der städtischen Wasserläufe durch die deutschen Fachleute nahm auch der Stadtrat von Vinnytsia mit großem Interesse auf. In der Folge verabschiedete er das „Entwicklungskonzept für die Wasserläufe – 2035“ als eine zentrale Basis für alle weiteren Renaturierungs-Aktivitäten und als wichtiger Bestandteil der Strategie, Vinnytsia zu einer grünen Stadt zu machen.

Auch der Kommunalverwaltung ist die Renaturierung ein so großes Anliegen, dass sie 2021 eine Personalstelle für das Projekt beim kommunalen Institut für Stadtentwicklung von Vinnytsia schuf, dem lokalen städtischen Planungsunternehmen, das für strategische lokale Projekte und internationale Kooperationen zuständig ist.

Partizipation ist Erfolgsrezept

Ein wichtiger Aspekt bei der Renaturierung der Bäche ist die Beteiligung der Bevölkerung. Eine Informationskampagne im Jahr 2021 führte dazu, dass die Menschen in Vinnytsia die Flussläufe viel bewusster wahrnehmen und ihren Wert mehr schätzen. Bei Exkursionen und Workshops lernten sie die Flussläufe besser kennen, befassten sich mit ihrer Geschichte und recherchierten etwa den Hintergrund ihrer Namen. Finanziert wurde die Kampagne im Rahmen des City Climate Finance Gap Fund der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Konzepte für spätere Implementierung

Im Mai 2024 startete Vinnytsia ein Sozialraumkonzept für einen Teil des kleinen Flusses Tyazhylivka, um eine Strategie für die Wiederherstellung der dortigen Biodiversität zu entwickeln. Unterstützt wird das Projekt durch U_CAN Ukraine im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizont Europa“ zur Unterstützung des European Green Deal. Das Projekt schafft wichtige Voraussetzungen dafür, auch andere kleine Flüsse in der Stadt in Zukunft zu renaturieren. Der konzeptionelle Ansatz ist aktuell sinnvoll, weil es seit dem Ausbruch des Kriegs nicht möglich ist, technischer Maßnahmen zur Renaturierung der Flussläufe umzusetzen. Darin ist die Renaturierung von Bächen fest verankert.

Schon heute sieht man in Vinnytsia kleine Fortschritte bei der Renaturierung kleiner Flüsse. In der Bevölkerung herrscht ein anderes Bewusstsein – kleine Flüsse werden wieder wertgeschätzt. Die großen technischen Renaturierungsmaßnahmen am Diohtianets und an anderen Wasserläufen stehen indes noch aus. Doch sobald die Stadt nach dem Krieg wieder ausreichende Kapazitäten für bauliche Maßnahmen hat, werden die bereits fertigen Konzepte aus der Schublade gezogen. Die Vorarbeit ist getan, mithilfe des Connective-Cities-Lernprozesses.

 

Wie Vinnytsia vom Fachaustausch profitiert:
  • Erweiterung der Perspektive zum ökologischen, sozialen und städtebaulichen Potenzial von kleinen städtischen Flüssen
  • Unterstützung bei der Projektentwicklung durch Fachleute deutscher Wasserunternehmen
  • Nutzung des neuerworbenen Wissens zur Entwicklung städtischer Strategien
  • Fertige Konzepte wurden erarbeitet, sodass nach dem Krieg die Umsetzung schnell erfolgen kann

 

„Dank des Lernprozesses von Connective Cities wissen die Politik und Verwaltung in Vinnytsia heute, dass ökologisch intakte und städtebaulich integrierte kleine Flüsse eine wichtige Rolle dabei spielen, Vinnytsia zu einer grünen und lebenswerteren Stadt zu machen.“

Yanna Chaikovska, Direktorin des kommunalen Instituts für Stadtentwicklung, Vinnytsia

Impressionen

Alle Fotos: Institute of Urban Development, Vinnytsia


erstellt von:
Connective Cities


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