Aktuelles

15.11.2024

Erste Schritte für die Nachnutzung öffentlicher Gebäude aus den 1960er- und 1970er Jahren

Online-Workshop zeigt auf, wie die Planung für eine Nachnutzung von Gebäuden starten sollte.

Haus der Revolution in Niksic in Montenegro

Im September 2024 begann der Lernprozess „2nd Hands on Public Buildings“ von Connective Cities. Über ein Jahr tauschen sich Vertreter*innen aus Kommunen sowie Fachleute aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur und nachhaltige Stadtentwicklung jetzt darüber aus, wie Gebäude aus den 1960er- und 1970-Jahren sinnvoll nach- oder umgenutzt werden können. Sie kommen aus Deutschland, Kenia, Montenegro und Sambia sowie aus der Ukraine und aus den Palästinensischen Gebieten und sie vereint ein gemeinsames Ziel: öffentliche Gebäude, die heutigen Standards nicht mehr entsprechen, nicht direkt abzureißen und neu zubauen. Stattdessen durch klimafreundliche Sanierungen neue, nachhaltige Nutzungskonzepte zum Wohle der Bürger*innen zu schaffen. Dabei ließen sie sich von vielen guten Praxisbeispielen inspirieren – vom Haus der Statistik in Berlin oder vom Haus der Revolution in Niksic in Montenegro.

Nur vier Wochen nach der Dialogveranstaltung hatten einige der am Lernprozess beteiligten Akteur*innen bereits begonnen, ihre in Berlin vorgestellten Projektideen zu konkretisieren. Am 30. Oktober 2024 kamen sie und andere Interessierte online zusammen, um mehr über die für die Planung von Neunutzungen notwendigen ersten Schritte zu lernen und diese zu diskutieren.

Die Stadtverwaltung von Lusaka in Sambia will etwa eine Bestandsaufnahme der zahlreichen Gemeindezentren in der Stadt durchführen. Viele sind in jahrzehntealten Gebäuden untergebracht, die in einem schlechten baulichen Zustand sind. Eine nun angedachte Analyse soll aufzeigen, welche baulichen Vor- und Nachteile sowie Mängel die Gebäude aufweisen und wie sie aktuell genutzt werden. Die Ergebnisse sollen als Basis für eine Strategie zur zukünftigen Nutzung dienen. Angedacht ist, dort langfristig Zentren für frühkindliche Entwicklung unterzubringen.

Auch die Partnerstädte Greifswald und Drohobytch in der Ukraine sind schon einen Schritt weitergekommen: Die ukrainische Stadt plant, 20 Mehrfamilienhäuser energetisch zu sanieren und konnte für dieses Vorhaben bereits externe finanzielle Unterstützung akquirieren. Die Stadtverwaltung Greifwald will ihre Partnerstadt mit fachlicher Expertise dabei unterstützen, die Häuser langfristig nachhaltig nutzbar zu machen.

Praxisbeispiel: ein kooperatives Werkstattverfahren bringt erste Erkenntnisse

Prof. Amandus Samsøe Sattler, Mitinhaber von ensømble Studio Architektur, Berlin, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), berichtete über ein kooperatives Werkstattverfahren, das für die Klärung von Möglichkeiten zur Nachnutzung eines Parkhauses in Bremen angewandt wurde.

Das in den 1970er-Jahren erbaute Parkhaus Katharinenklosterhof liegt zentral in der Innenstadt Bremens. Aufgrund des veränderten Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung ist eine langfristige Wirtschaftlichkeit des Gebäudes als Parkhaus nicht mehr gegeben. Daher wurde im Rahmen eines Werkstattverfahrens untersucht, wie das Gebäude so umgebaut werden kann, dass es einen neuen Nutzungszweck erhält und Nachhaltigkeitskriterien entspricht. An dem Verfahren beteiligt waren die städtische Eigentümerin BREPARK, die den Parkraum in der Stadt managt, zwei Architekturbüros sowie das Projekt „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“.

Das Gebäude wurde unter anderem im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Struktur, die Sicherstellung des Brandschutzes und die bauliche Substanz analysiert und es wurde berechnet, ob eine Sanierung und Neunutzung ökonomisch sinnvoll sind. Eine der ursprünglichen Ideen, in der Parkagarage einen Hörsaal der Hochschule unterzubringen, scheiterte unter anderem an ungeeigneten baulichen Strukturen. So ist es etwa nicht möglich, die vorgeschriebenen Fluchtwege umzusetzen. Bei den Entwürfen, die auch Wohnraum in der attraktiven Innenstadtlage vorsehen, wurde immer berücksichtig, wie viel Gewichte in das Gebäude eingebracht werden können. Ein Lichthof würde etwa zu Gewichtsentlastungen führen. Eine neue Nutzung im Bestand verfeinert die Gestaltung der funktionalen Parkhausfassaden, fügt sie in einem menschlichen Maßstab in das Quartier und vermittelt damit ein neues Narrativ des Nachhaltigen, sagte Prof. Amandus Samsøe Sattler. Für die erarbeiteten Entwürfe wurden die Baukosten grob geschätzt. Nun muss die Stadt Bremen entscheiden, wie es weitergeht.

 

„Wir haben untersucht: Was kann das Gebäude leisten, ohne dass es überfordert wird?
Welche Nutzung wäre angemessen und könnte zur Belebung der Innenstadtlage durch das Gebäude passen?“


Prof. Amandus Samsøe Sattler


Synergieeffekte mit anderen Prozessen von Connective Cities

Das Angebot von Connective Cities umfasst weitere Lernprozesse und Veranstaltungen, die inhaltlich eng mit der Nachnutzung von Gebäuden aus den 1960er- und 1970er-Jahren verknüpft sind. Hier können interessierte Akteur*innen wertvolle Synergien nutzen:

Die Arbeitsgruppe für nachhaltigen und erschwinglichen Wohnraum in Subsahara-Afrika startete ihre Zusammenarbeit im Juni 2024. Hier sind 13 Kommunen, aber auch Forschungseinrichtungen und nationale Institutionen vertreten, die sich zur Notwendigkeit integrierter Planung, zu Finanzierungsmodellen, erschwinglichen und nachhaltigen Baumaterialien und zur Ausweitung sozialer Wohnungsbauinitiativen austauschen. Für Kommunen ist hier die zentrale Frage, wie sie zur Schaffung von günstigem Wohnraum beitragen können. Die Nachnutzung öffentlicher Gebäude kann hier eine wichtige Rolle spielen.

Das Agile Format „Erneuerbare Energieoptionen auf kommunaler Ebene“ dient dem Fachaustausch von 32 Kommunen aus Subsahara-Afrika zur verstärkten Nutzung erneuerbaren Energien. Beteiligt sind aktuell Tunesien, Senegal, Kenia, Uganda, Malawi, Romänien und Deutschland. Es werden kommunale Lösungen diskutiert, wie etwa Photovoltaik zum Heizen und zur Kühlung von Gebäuden genutzt werden kann. Auch zu lokalen Stromnetzen, E-Mobilität und zur Nutzung von Solarenergie für die Straßenbeleuchtung findet ein intensiver Austausch statt. „Nachhaltige Energiekonzepte sind ein wichtiger Faktor, wenn eine Nachnutzung öffentlicher Gebäude geplant wird. Schließlich sollen diese so klimafreundlich wie möglich sein“, warb Moses Manuve, Regionalkoordinator bei Connective Cities für Subsahara-Afrika.

Virtueller Cloud bietet Forum zum Austauschen und Informieren

Für den Lernprozess hat Connective Cities eine Online-Community eingerichtet, wo die beteiligten Akteur*innen unter anderem gute Praxisbeispiele und Projektideen vorstellen. Zudem findet sich dort ein Board, auf dem Interessierte notieren können, zu welchen Themen sie Tipps oder Unterstützung benötigen und vor allem auch, wozu sie selbst Unterstützung anbieten können. „Wir stellen diesen Raum zur Verfügung, damit in den nächsten Monaten eine lebendige und vor allem produktive internationale Fach-Community entstehen kann“, sagt Marcella Sobisch, Projektkoordinatorin bei Connective Cities für diesen Lernprozess. Der virtuelle Raum ist passwortgeschützt, ein Zugang kann aber jederzeit angefragt werden.

 

Key Take-Aways
Die Teilnehmenden nahmen vor allem diese Lehren aus der Veranstaltung mit, die sie in ihren Projekten zur Nachnutzung öffentlicher Gebäude aus den 1960er- und 1970-er Jahren nutzen wollen:
  • Am Anfang der Planungen zur Nachnutzung eines Gebäudes sollten immer eine Überprüfung der Baustruktur, eine Untersuchung der „grauen Energie“ des Gebäudes, eine Analyse der Nutzungsmöglichkeiten und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung stehen. Auch Bauvorschriften müssen von Anfang an mitgedacht werden.
  • Für die Nachnutzung öffentlicher Gebäude werden häufig öffentlich-private Partnerschaften (PPP) eingegangen. Für solche Kooperationen ist es hilfreich, Leitlinien zu entwickeln.
  • Für eine nachhaltige Nachnutzung sind hohe Energieeffizienz-Standards ein Muss.
  • Die Planung und Umsetzung einer Nachnutzung erfordern technische Expertise auch im Hinblick auf die Nutzung nachhaltiger Materialien und Kühlungsmöglichkeiten.

erstellt von:
Susanne Reiff, Connective Cities


Verwandte Inhalte

Top