Autoarme Innenstadt Leipzig: Wenn weniger zu mehr führt

Neue Horizonte für die Verkehrs- und Stadtplanung

Übersicht

Das Herz von Leipzig, die Innenstadt, stand buchstäblich vor dem Infarkt: Verstopft vom Autoverkehr ging in den 1990er Jahren im Zentrum kaum noch etwas. Der City blieb die Kundschaft weg, Geschäfte mussten schließen. Mit dem Konzept »Autoarme Innenstadt« gelang es Stadt- und Verkehrsplanung aber, das Zentrum wieder attraktiv zu machen. Heute pulsiert in der City das Leben – sie lädt zum Flanieren und zum Einkaufsbummel ein.

Hintergrund

Viele Städte, die schnell wachsen, wuchern an den Rändern und verlieren den Bezug zur eigenen Mitte – wenn die dem Nutzungsdruck durch das gestiegene Verkehrsaufkommen nicht mehr standhält. Dieses Schicksal drohte nach der Wende auch der größten Stadt im Freistaat Sachsen.

Leipzig ist eine der am schnellsten wachsenden Städte Deutschlands. Die Innenstadt wurde durch den ständig anschwellenden Autoverkehr zunehmend unattraktiv – nicht nur wegen der vielen Durchfahrten, auch wegen des Parksuchverkehrs und der benötigten KFZ-Stellflächen. Die traditionelle Innenstadt Leipzigs ist nur etwa 900 mal 700 m groß und wird vom „Promenadenring“ begrenzt. Die engen Straßen waren dem ständig steigenden Verkehrsaufkommen bald nicht mehr gewachsen.

Um das Zentrum zu entlasten, beschloss der Stadtrat bereits 1993 das Konzept »Autoarme Innenstadt«, das 2008 fortgeschrieben wurde. Es beruht auf der Erkenntnis, dass der verfügbare Raum nicht mehr für alle Verkehrsarten ausreicht. Dank weniger Autos ist heute Platz für kleine Extras in der Innenstadt - z.B. Sitzbänke, die zum Verweilen einladen.

Ziele

Viele Kommunen wollen ihren Beitrag zur Minderung schädlicher Klimagase und Luftverschmutzung mit Maßnahmen zur Mobilitätswende leisten. So auch Leipzig.

Das Konzept »Autoarme Innenstadt« zielt darauf ab, dem motorisierten Individualverkehr nicht länger unreflektiert Vorfahrt einzuräumen. Stattdessen werden nun Fußgänger und Radverkehr bevorzugt. Das soll auch der Attraktivität des Wohnens und der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zugutekommen: Lärm und Luftverschmutzung werden verringert; die Sicherheit erhöht. Davon profitieren vor allem Kinder und Menschen mit Einschränkungen; Enge und Verkehrsdichte hatten die Lebensqualität beeinträchtigt.

 

Der schrittweise Abbau des fließenden und ruhenden KFZ-Verkehrs in der Innenstadt soll auch dem örtlichen Handel nützen, der sich gegen Outlets und Einkaufszentren auf der »grünen Wiese« und den Trend zum Onlinegeschäft behaupten muss. Das Konzept »Autoarme Innenstadt« soll so u.a. gezielt dazu beitragen, Leipzigs Wirtschaftskraft und Wertschöpfung zu steigern: Die Innenstadt soll wieder als Flaniermeile wahrgenommen und geschätzt werden. Das ist auch unter touristischen Gesichtspunkten interessant.

 

Aktivitäten

Zunächst untersuchte das Verkehrsamt die Anbindung der City und verbesserte die Verbindung zum öffentlichen Personennahverkehr. Fußgängerzonen wurden eingerichtet und Reglungen für den Radverkehr getroffen. Die Erschließung der Innenstadt durch den erforderlichen KFZ-Verkehr wurde neu geplant, Zufahrten ins Zentrum identifiziert und mit versenkbaren Pollern versehen. Dabei mussten Polizei, Rettungsdienste und Müllabfuhr weiterhin ungehindert einfahren können. Für Taxen, aber auch Handwerksbetriebe und Anwohner, insbesondere solche mit Parkstellflächen auf Privatgelände, wurden Lösungen gefunden. Für den Lieferverkehr gelten zeitliche Beschränkungen. Im verkehrsberuhigten Bereich ist die Höchstgeschwindigkeit auf 20km pro Stunde begrenzt.

Mit dem Konzept »Autoarme Innenstadt« konnte die sich den 1990er Jahren abzeichnende Verödung der City erfolgreich abgewendet werden.

Wirkungen

Wer heute ins Leipziger Zentrum kommt, schätzt die hohe Aufenthaltsqualität. Insbesondere der Einzelhandel profitiert von der entspannten Shopping-Atmosphäre.

Das Konzept wurde dem Bedarf immer wieder neu angepasst. Dabei hat sich eine konstruktive und kreative Beteiligungskultur entwickelt. Verwaltung, Politik, Stadtgemeinschaft, Industrie- und Handelskammer, die Handwerkerschaft, Taxigewerbe und Polizei, die Arbeitsgruppe Radverkehr und weitere Interessenvertretungen suchen weiter gemeinsam nach Lösungen für praktische Fragen und Wünsche.

Das Konzept »Autoarme Innenstadt« hat auch dazu beigetragen, dass das Mobilitätsmuster der Bevölkerung nachhaltiger geworden ist: Heute nutzen bereits 81 Prozent der Bürgerinnen und Bürger umweltfreundliche Verkehrsmittel, um ins Zentrum zu fahren – Tendenz weiter steigend. Auch der Wohnwert im innerstädtischen Bereich ist gestiegen. Neue Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe haben sich angesiedelt.

 

Fazit

Das Konzept »Autoarme Innenstadt« ist gut aufgegangen und hat sich bewährt. Zugleich hat Leipzigs weiterhin rasantes Wachstum zusätzliche Herausforderungen mit sich gebracht. Heute erscheint es sinnvoll, auch die angrenzenden Stadtflächen besser an die Leipziger Verkehrsströme anzubinden und den Innenstadtbereich zu erweitern, der bislang durch den Promenadenring begrenzt ist. Stadtplanerisch könnte so das Potenzial erschlossen werden, das dem Bedarf einer dynamischen Großstadt entspricht.

Kontakt

Torben Heinemann

Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister

Verkehrs- und Tiefbauamt

Abteilung Generelle Planung

Torben.Heinemann(at)Leipzig.de

Prager Straße 118-136, Haus C

04092 Leipzig

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Kategorien: Integrierte Stadtentwicklung Nachhaltige Mobilität Öffentlicher Raum Soziale Stadt
Regionen: Europa Deutschland Leipzig

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