Flächen in urbanen Zentren sind meistens rar. Eine Nutzung als Grünfläche oder öffentlicher Freizeitraum konkurriert mit dem Wohnungsbau oder anderen kommerziellen Interessen. Die Sanierung und Entwicklung von ungenutzten Industriebrachen ist daher eine interessante Alternative für viele Stadtverwaltungen. Damit sind jedoch vielfältige Herausforderungen verbunden. Bei der Revitalisierung des Geländes der ehemaligen städtischen Müllverbrennungsanlage Sumidouro in São Paulo gelang es, diese Herausforderungen innovativ zu meistern und mit dem neu errichteten Sport-, Kultur- und Freizeitzentrum Praça Victor Civita ein Leuchtturmprojekt zu schaffen.
Die Stadt São Paulo hat einen hohen Bedarf an Parks und öffentlichen Erholungsräumen. Gleichzeitig herrscht ein Mangel an ausreichenden innerstädtischen Flächen und das städtische Umland ist zersiedelt. Es gibt verhältnismäßig viele verlassene Industriegelände zur Projektentwicklung, weswegen die Umnutzung von Industriebrachen einen wichtigen Faktor bei der Flächengewinnung darstellt. Häufig ist eine Revitalisierung jedoch schwierig, da Boden und Grundwasser kontaminiert sind und die Stadtverwaltung nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sanierung und Entwicklung der Flächen verfügt. Dies war auch bei dem Gelände der ehemaligen Müllverbrennungsanlage Sumidouro der Fall, deren Kontaminierung zur Entwertung des städtischen Umfeldes beitrug und ein beträchtliches Gesundheitsrisiko für eventuelle Nutzer der Fläche darstellte.
2006 begann sich ein privater Investor für die Entwicklung des Geländes der ehemaligen Müllverbrennungsanlage Sumidouro zu interessieren. Die Fläche sollte aufgewertet werden, da sie sich in unmittelbarer Umgebung des Firmensitzes befand.
Das Projekt zielte darauf ab, die kontaminierte Industriebrache nach städtebaulichen und umwelttechnischen Kriterien zu revitalisieren und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Damit war auch eine Aufwertung des Stadtteils verbunden, woran die Bewohnerinnen und Bewohner beteiligt waren und aus der sie einen Nutzen zogen.
Die Altlastensanierung und die Umnutzung von Gelände und Gebäuden für Sport, Erholung und Kultur wurden im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft umgesetzt. Die Akteure schlossen einen öffentlich-privaten Partnerschaftsvertrag mit einer Nutzungsgarantie für den Investor.
Durch die Zusammenarbeit verschiedener Behörden und pragmatische Lösungen bei der Umsetzung des Sanierungskonzepts wurden Genehmigungs- und Umsetzungsprozesse beschleunigt und Kosten begrenzt. So wurden beispielsweise der mit Dioxinen und Furanen verseuchte Schornstein baulich eingeschlossen, kontaminierte Wände gesäubert, Brunnen und Abflüsse versiegelt, die Oberfläche des mit Schwermetallen verschmutzen Bodens ausgetauscht und eine Holzterrasse über dem Boden errichtet, um direkten Kontakt und die Einatmung von belastetem Material zu verhindern.
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) leistete technische und methodische Unterstützung bei der Erstellung und Umsetzung der Sanierung und begleitete die Koordinierung der öffentlichen und privaten Akteure sowie die Implementierung der Prozessschritte. Sie unterstützte zum Beispiel die Risikobewertung und die Integration der Sanierung in die architektonische Projektplanung.
Gleichzeitig wurde durch gezielte Werbungsmaßnahmen die öffentliche Unterstützung für das Projekt mobilisiert. So wurde ein Logo geschaffen, eine Website eingerichtet und der Bekanntheitsgrad des Projekts durch Kulturprojekte wie Musik- und Theaterveranstaltungen gefördert.
Das Projekt hatte unterschiedliche positive Wirkungen, von denen sowohl die Stadtverwaltung, die Bewohnerinnen und Bewohner sowie der private Investor profitierten. Zum einen wurde eine öffentliche Erholungsfläche mit Veranstaltungsräumen und einem Industriemuseum geschaffen. Dies wertete die Fläche und den Stadtteil auf und kam den Bewohnerinnen und Bewohnern zugute.
Gleichzeitig wurden die durch die Kontamination des Geländes entstandenen Umwelt- und Gesundheitsrisiken beseitigt bzw. erheblich gemindert. Dabei wurden innovative Ansätze und Verfahren erprobt und entwickelt. Damit wurde ein Leuchtturmprojekt geschaffen, dass der Stadtverwaltung und dem Investor öffentliche Aufmerksamkeit und einen Imagegewinn bescherte.
Im Ergebnis kamen bei der beispielhaften Flächensanierung von Sumidouro verschiedene Faktoren zusammen, die den Erfolg des Projekts ermöglichten.
Zum einen hatten der private Investor und die Stadtverwaltung ein gemeinsames Ziel bei der Projektentwicklung. Die unterschiedlichen Interessengruppen, staatlichen Ebenen sowie privaten und öffentlichen Akteure kooperierten gut bei der Umsetzung des Vorhabens.
Zudem existierte ein günstiges Umfeld in Form von strategischen Vorgaben und städtebaulichen Instrumenten für die Stadtentwicklung, verbindliche Planungsinstrumente sowie eine große Nachfrage der Bevölkerung nach Freizeit- und Erholungsraum im betreffenden Stadtteil. Die Unterstützung der GIZ erleichterte zudem den Umsetzungsprozess und die Entwicklung umweltgerechter Sanierungsoptionen.
Allerdings haben sich angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Stadt die Rahmenbedingungen für die Aufrechterhaltung des Projektes zum Nachteil verändert. Die Stadtverwaltung sucht gegenwärtig nach neuen Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit des Projekts zu gewährleisten.
Landeshauptstadt Stuttgart / Amt für Umweltschutz: Nachhaltige Stadtentwicklung in Lateinamerika. Eine Studie über die Rahmenbedingungen der Flächenrevitalisierung in Mexiko, Kolumbien, Ecuador, Brasilien und Chile mit ausgewählten Projekten, 2011.
Stand: 03.01.2018
Dr. Andreas Marker
Synergia Ltda. Geosciences, Soil & Groundwater, Sustainable Urban Development
São Paulo, Brasil
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