Ein Resilienzplan für Niterói

Intensive Kooperation der Verwaltung für eine effektive Katastrophenprävention

Übersicht

Die brasilianische Küstenstadt Niterói liegt umgeben von Hügeln unmittelbar neben Rio de Janeiro. 500.000 Menschen leben in Niterói. Die Stadt ist von Handels- und Dienstleistungsunternehmen geprägt. 2010 wies die Stadt den höchsten Index für menschliche Entwicklung im gesamten Bundesstaat Rio de Janeiro auf und lag landesweit an siebter Stelle. Außerdem hat Niterói die beste Sanitärversorgung des Bundesstaats.

Daneben hält Niterói dank attraktiver Strände auch zahlreiche touristische Angebote bereit, ist als Küstenstadt jedoch auch mit dem Anstieg des Meeresspiegels konfrontiert.

In den vergangenen Jahrzehnten hat der Klimawandel außerdem dazu beigetragen, dass die Anzahl der Dürren und Waldbrände gestiegen ist. Die Stadt liegt zwischen dem Meer und steilen Hügelketten. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Stadt stark und größtenteils ungeplant gewachsen. Dies hat dazu geführt, dass auf den Flanken und Hängen der Hügel informelle Siedlungen entstanden sind, in denen einkommensschwache Familien wohnen. In etlichen dieser ungeplant entstandenen Siedlungen ist das Risiko für einen Erdrutsch erheblich.

Dadurch, dass in Niterói mehrere Risiken zusammenkommen - einkommensschwache Familien, hohe Erdrutschgefahr, nicht sachgerecht geplante Siedlungen - hat die Stadt in der jüngsten Vergangenheit mehrere Katastrophen erlebt. Im April 2010 kamen bei Erdrutschen, von denen sich die meisten an den im Stadtgebiet gelegenen Hügeln ereigneten, mehr als 240 Menschen ums Leben. Danach wurden viele Präventivmaßnahmen ergriffen, um die Zahl der Unfälle und Todesfälle zu reduzieren, was sehr gute Ergebnisse erbrachte.

Die Stadtregierung hat einen Resilienzplan entwickelt, um den kommunalen Zivilschutz direkt und indirekt zu stärken. Der Resilienzplan ist für die Stadt von großer Bedeutung und hat viel verändert. Die Stadt hat den Plan Im Dezember 2019 eingeführt und bereits mit der Umsetzung begonnen

Hintergrund

Im April 2010 ereignete sich in Niterói die größte Katastrophe der Stadtgeschichte: An einem Großteil der Hügel im Stadtgebiet kam es zu Erdrutschen, die mehr als 240 Todesopfer forderten. Besonders stark betroffen war die Favela Morro do Bumba.

Im Sommer 2014 kam es durch eine untypisch langanhaltende Dürre zu Waldbränden, durch die eine Fläche von 629,5 Hektar zerstört wurde (4,7 Prozent des gesamten Stadtgebiets). Die Stadtregierung rief daraufhin das Programm Niterói Contra Queimadas (Niterói gegen Waldbrände) ins Leben, das verschiedene Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Waldbränden vorsieht. Mithilfe des Programms, das nach wie vorläuft, ist es der Stadt gelungen, die Waldbrandgefahr zu verringern.

2018 hat die Stadt das Risiko für das Auftreten von Erdrutschen neu bewertet und eine entsprechende Risikokartierung vorgenommen. Dazu wurden die Stadtviertel klassifiziert und einer von fünf Risikostufen zugeordnet (sehr hohes, hohes, mittleres und geringes Risiko für Erdrutsche). Auf der Karte sind die am stärksten gefährdeten Gebiete eingezeichnet, so dass die Stadtregierung über eine aktuelle Risikobewertung verfügt. Auf dieser Grundlage wurde ein maßgeschneiderter Resilienzplan entwickelt und im Dezember 2019 auf den Weg gebracht.

Der Resilienzplan für Niterói orientiert sich an den Richtlinien, die vom Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge (UNISDR) aufgestellt wurden, um Behörden bei der Vorbereitung auf mögliche Bedrohungen und der Minderung von Anfälligkeit zu unterstützen.

Im Einklang mit den Aktionsrahmen von Hyogo (2005-2015) und Sendai (2015-2030) orientieren sich die Ziele des Resilienzplans von Niterói an den zehn Grundsätzen der Kampagne „Making Cities Resilient“, an der sich Niterói seit 2017 beteiligt. Der Resilienzplan der Stadt ist Teil des kommunalen Strategieplans, der unter dem Motto „das Niterói, das wir wollen“ steht und 2013 mit einem Planungshorizont von 20 Jahren entwickelt wurde. In den Strategieplan sind etwa 10.000 Menschen eingebunden, die in der Stadt leben und arbeiten.

Im Stadtgebiet von Niterói findet sich eine große Vielfalt an Ökosystemen – mehr als 50 Prozent der Stadtfläche stehen unter Naturschutz. Deshalb bestehen die wichtigsten Ziele des Resilienzplans unter anderem darin, schädliche Auswirkungen auf die Umwelt zu mindern, Ökosysteme zu erhalten bzw. wiederherzustellen und die vorhandenen natürlichen Barrieren zur Verringerung der Auswirkungen von klimawandelbedingten Extremwetterereignissen zu stärken.

Ziele

Der Resilienzplan umfasst Maßnahmen zur Inspektion, Überprüfung und Instandhaltung der kommunalen Infrastruktur und deckt die am stärksten gefährdeten Bereiche ab. Darüber hinaus stärkt der Plan den Austausch von Informationen über Schwachpunkte und Handlungsbedarfe und unterstützt ein entsprechendes Mobilisierungsnetzwerk. Ferner sieht der Plan den Einsatz von moderner Technik vor. Dazu zählen beispielsweise ein Netz aus Wetterstationen mit Pluviometern und Echtzeit-Datenübertragung sowie ferngesteuerte Hochleistungsalarmsirenen mit redundanter Datenübertragung über Internet und Funk (integriertes System, über das die Zivilschutzeinheiten zu den Einwohnern*innen sprechen und Kontrollen mit vorgeplanter Diagnose durchführen können). Mithilfe dieser Technik können Krisensituationen zuverlässig vorhergesagt, gefährdete Gebiete besser überwacht und die Resilienz von Institutionen gestärkt werden.

Damit verbessert die Stadt ihre Fähigkeit zur selbständigen Umsetzung von laufenden Maßnahmen und neuen Initiativen, deren Fokus auf den besonders gefährdeten Gebieten liegt. Durch das enge Zusammenwirken der verschiedenen kommunalen Behörden mit der Zivilgesellschaft bei den unten aufgeführten Maßnahmen können die Vorkehrungen zur Risikoprävention und Schadensminderung wirkungsvoller und effizienter gestaltet werden.

Aktivitäten

Maßnahmen seit Beginn der Umsetzung des Resilienzplans im Dezember 2018

  1. INSTITUTIONELLE STÄRKUNG VON ZIVILSCHUTZ UND ZIVILVERTEIDIGUNG
    • Erweiterung der Zuständigkeit des Sekretariats für Zivilschutz um den Bereich Geotechnik; Einstellung weiterer Fachkräfte aus unterschiedlichen Disziplinen; Aufbau der Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen.
  2. RISIKOMANAGEMENT
    • 57 Maßnahmen in einem Jahr zur Stabilisierung von Hängen in allen Bereichen mit hoher/sehr hoher Priorität; später Ausdehnung der Maßnahmen auf Bereiche mit mittlerem Risiko.
    • Ausbau des Alarmsirenensystems und Durchführung von entsprechenden Schulungen.
    • Aufforstung von Hängen; Pflanzung von 30.000 Bäumen in zwei Jahren
    • Anschaffung eines Wetterradars
  3. PRÜFUNGEN UND VERBOTE
    • Verschärfung des Verbots zur Errichtung von Gebäuden in Schutzgebieten
    • Abriss von Gebäuden in Risikogebieten; 300 Maßnahmen in zwei Jahren
  4. WOHNQUALITÄT
    • Errichtung von Sozialwohnungen; zwischen 2017 und 2020 sollen 2.000 Wohnungen gebaut werden
    •  Einführung eines Programms für soziales Bauen: Das Programm fördert die Verbesserung der Wohnverhältnisse, da prekäre Wohnverhältnisse zu Gesundheitsproblemen führen und die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner gefährden können. Konkret geht es dabei um die kostengünstige und umweltfreundliche Gebäudesanierung unter Einsatz von einheimischen Arbeitskräften. Dabei kommen vor Ort zur Verfügung stehende Baumaterialien zum Einsatz, und die Finanzierung erfolgt häufig durch Wohnungsbaufonds oder Gemeindebanken.
  5. KOMMUNALE STRATEGIE ZUR VERBESSERUNG VON RESILIENZ UND BÜRGERBETEILIGUNG
    • Festlegung einer kommunalen Zivilschutz- und Zivilverteidigungsstrategie
    • Bildung eines Stadtrats für Zivilschutz und Zivilverteidigung
    • Zwischen Dezember 2018 und Dezember 2020 sollen die Angehörigen von 100 Zivilschutzgruppen geschult werden; dieses Ziel wurde bereits erreicht
    • Aufnahme von für den Zivilschutz relevanten Kenntnissen in die Lehrpläne der Schulen
    • Entwicklung von Risikopräventionsmaßnahmen und freiwillig zu nutzenden Smartphone-Apps
    • Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit der Feuerwehr der Streitkräfte

Wirkungen

Der Resilienzplan von Niterói sieht vor, innerhalb von zwei Jahren 100 Zivilschutzgruppen auszubilden. Die Stadt hat dieses Ziel bereits erreicht und ist sehr stolz auf die aktive Beteiligung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Zivilschutzgruppen übernehmen wichtige Aufgaben beim Risiko-Monitoring von potenziell gefährdeten Gebieten und gewährleisten, dass die im Katastrophenfall notwendigen Maßnahmen schneller und wirkungsvoller umgesetzt werden können. Sie informieren beispielsweise die Bevölkerung, unterstützen Evakuierungen, übernehmen Transporte, bringen Zivilschutzbeamte an den Ort der Katastrophe, leiten bei Erdrutschen erste Notfallmaßnahmen ein, riegeln das Katastrophengebiet ab und leisten Erste Hilfe. Darüber hinaus entstehen auf diese Weise eine Kultur der Katastrophenvorsorge und eine echte Partnerschaft zwischen der Zivilgesellschaft und den kommunalen Behörden.

Die in dem Plan aufgeführten Maßnahmen wurden auf der Grundlage einer kürzlich von der Stadt in Auftrag gegebenen Risikokartierung festgelegt. Dabei wurde Gebieten mit hoher/sehr hoher Risikoeinstufung Vorrang eingeräumt; derzeit sind weitere Maßnahmen für Gebiete mit mittlerem Risiko in Planung. Die Maßnahmen sind ein Ergebnis der Risikokartierung, die außerdem Empfehlungen sowie ein Basisprojekt für jedes mit einem hohen oder sehr hohen Risiko behaftete Gebiet der Stadt geliefert hat. Anhand der Zahl der Menschen, die in jedem der aufgeführten Gebiete leben, sowie der Kosten für die notwendigen Risikominderungsmaßnahmen konnte eine Priorisierung vorgenommen werden. Damit wurden eine systematische Vorgehensweise und eine rationale Bewertung der denkbaren Maßnahmen ermöglicht.

Der notwendige Abriss von Gebäuden in besonders gefährdeten Gebieten, der Bau von Sozialwohnungen und die Unterstützung bei der Gebäudesanierung zur Beseitigung von gesundheitsschädlichen Wohnverhältnissen sind ein Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit und Lebensqualität der Bevölkerung.

Fazit

Alle geplanten Maßnahmen dienen entweder einzeln oder im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen dazu, sämtliche Bereiche des Zivilschutzes von der Prävention über Vorbereitung und Reaktion bis hin zum Wiederaufbau zu fördern.

Durch die Verstärkung des Sekretariats für Zivilschutz und Geotechnik mit Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen verfügt das Sekretariat über deutlich höhere Kapazitäten für die Planung und Durchführung von Einsätzen, Präventionsmaßnahmen sowie das Handeln im Katastrophenfall. Durch den Einsatz von moderner Technik, die Wiederaufforstung von Hängen, eine umfassende Beteiligung von Freiwilligengruppen sowie deren Schulung im Hinblick auf Risikowahrnehmung und Verfahren für den Katastrophenfall konnte die Zahl der Katastrophen in der Stadt deutlich gesenkt werden.

weitere Information

Stand: 27.07.2020

Kontakt

Herr Walace Medeiros

Abteilungsleiter für Zivilschutz und Geotechnik

Stadt Niterói, Brasilien

wmedeirosbm(at)hotmail.com

Telefon: + 55 21 2717-2631

Mobil: + 55 21 98891.5557

Bilder

Kategorien: Good Urban Governance Krisenmanagement und Katastrophenvorsorge Integrierte Stadtentwicklung Partizipation und Stadtplanung Stadt und Klimawandel

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