Demokratie und Bürgerbeteiligung

Mitreden, mitbestimmen, mitgestalten: die neue Qualität von Bürgerbeteiligung

Bürgerbeteiligung wird als eine besonders wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Handeln auf lokaler Ebene angesehen. Während die Teilnahme an kommunalen Wahlen in vielen Regionen sinkt, entwickeln sich Städte und Gemeinden geradezu zu Laboratorien neuer Formen der Bürgerbeteiligung. Dies ist auch eine Folge des wachsenden Organisationsgrades und des gestiegenen Selbstbewusstseins der Zivilgesellschaft. Viele Bürgerinnen und Bürger bringen sich zudem als Ehrenamtliche aktiv in die Erfüllung kommunaler Aufgaben ein, sei es in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport, in der Jugend- und Altenbetreuung sowie in den letzten Monaten verstärkt auch bei der Hilfe und Integration von Geflüchteten.

Sowohl die Agenda 2030 mit ihren Entwicklungszielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) als auch die erst im Oktober 2016 während der Weltsiedlungskonferenz HABITAT III in Quito verabschiedete New Urban Agenda fordern eine Beteiligung der Zivilgesellschaft an Entscheidungsprozessen auf der lokalen Ebene. Wissen, Erfahrung und Engagement aller Akteure in Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Verbänden verleihen den kommunalen Nachhaltigkeitsbemühungen Akzeptanz und Durchsetzungsfähigkeit. Weltweit entwickeln Städte und Gemeinden neue Instrumente und Konzepte für eine verstärkte Bürgerbeteiligung an Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen. Prominentes Beispiel ist der von Porto Alegre in Brasilien bereits Ender der 1980er Jahre entwickelte Beteiligungshaushalt, der den Bewohnern eine Mitsprache bei der Prioritätensetzung bei den kommunalen Ausgaben einräumt und der rund um den Globus mittlerweile von Tausenden Kommunen praktiziert wird.

Neue Einflussmöglichkeiten erhielten auch die Bürgerinnen und Bürger vieler indonesischer Städte und Gemeinden in dem GIZ-unterstützen Vorhaben „Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen durch Bürgerbeteiligung“. Hier wurde im Konsens mit den Dienstleistungsanbietern ein „Beschwerdeindex“ eingeführt. Bevölkerung konnte sich über nicht funktionierende Dienstleistungen beschweren. Diese Beschwerden wurden analysiert und entweder direkt vor Ort durch den Anbieter behoben oder mit Lösungsvorschlägen an die entsprechenden Entscheidungsträger weitergeleitet. Damit konnte eine signifikante Verbesserung der Dienstleistungen in den Sektoren Bildung, Gesundheit und Wasser erreicht werden.

Förmliche Beteiligungsverfahren, wie sie z.B. in Deutschland für die Bauleitplanung gesetzlich verankert sind, haben sich bewährt und lassen sich auf andere städtische Aufgabenfelder ausdehnen. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in den Städten sind durch die deutschen Ländergesetze unterschiedlich geregelt, erfreuen sich aber wachsenden Interesses. Ausdruck einer wachsenden kommunalen Beteiligungskultur sind jedoch vor allem die vielfältigen informellen Verfahren, die sich weltweit in Städten und Gemeinden eingebürgert haben: Beiräte und Runde Tische, Leitbildentwicklungsprozesse und Zukunftswerkstätten sind nur einige Beispiele für die Vielfalt an Formen und Inhalten von Beteiligungsverfahren zur Sicherung nachhaltiger Stadtentwicklung, die von Stadtbewohnerinnen und Bewohnern eingefordert und von Stadtverwaltungen und Politik eingesetzt werden.

Grundsätzlich gilt aber für alle Beteiligungsverfahren: sie brauchen zeitliche und finanzielle Ressourcen und eine entsprechende Qualifikation der Mitarbeiter. Entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beteiligung sind eine umfassende und frühzeitige Information und Kommunikation sowie die Transparenz der Verfahren. Viele Städte richten dafür Büros ein, die die Prozesse organisieren und koordinieren, den Bürgerforen zuarbeiten und als Ansprechpartner direkt vor Ort sind wie beispielsweise die deutsche Stadt Potsdam mit ihrem „Pilotprojekt Büro für Bürgerbeteiligung“. Und sie nutzen Internetplattformen und soziale Medien.

Für die Verantwortlichen der Stadtpolitik ist es eine strategische Herausforderung, allen Gruppen der Bevölkerung – unabhängig von Bildung, Alter, Geschlecht und Herkunft – die gleichen Möglichkeiten zur Beteiligung zu eröffnen.

Praxisbeispiel

Schaffung inklusiver öffentlicher Räume für Frauen

14.06.2022

Öffentliche Räume können Gemeinschaften zusammenbringen und kulturelle Ausdrucksformen und Vielfalt fördern. Daher ist…

 

 Bildnachweis: © Evrenkalinbacak | Dreamstime.com

 
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