Eine Stadtentwicklung für alle in Wien

Wie die österreichische Hauptstadt seit Jahrzehnten gendersensibel plant und baut

Übersicht

Im Bereich der Geschlechtersensiblen Planung wird Wien sowohl in der konzeptionellen Tiefe als auch in der thematischen Breite der Aktivitäten eine Spitzenposition auf europäischer Ebene eingeräumt. Dies zeigt sich auch am großen internationalen Interesse an den Erfahrungen "made in Vienna".

Hintergrund

Wien ist eine wachsende Stadt, die laut demographischen Prognosen bis 2030 zwei Millionen Einwohner haben wird. Die Stadtgesellschaft wird immer vielfältiger. Unterschiedliche Interessen führen oft zu Konflikten zwischen verschiedenen Nutzergruppen, die durch die zunehmende Verdichtung der Stadt noch verschärft werden können. Um die urbane Lebensqualität für die Zukunft zu sichern, legt Wien großen Wert auf eine ausgeprägte soziale Sensibilität und setzt daher Gender Mainstreaming um. Gender Mainstreaming in der Stadtplanung zielt auf eine systematische Qualitätsprüfung hinsichtlich der Chancengleichheit verschiedener Nutzergruppen ab. Im Sinne einer "fairen Teilhabe an der Stadt" für alle wird in Wien hinterfragt, welche Vorteile (oder möglicherweise auch Hindernisse) sich für unterschiedliche Gruppen aus Planungsentscheidungen der öffentlichen Behörden ergeben.

Ziele

Das Hauptanliegen der Stadt Wien ist es, eine Stadt zu schaffen, die alle NutzerInnen in ihren unterschiedlichen und vielfältigen Alltagskontexten unterstützt. Dies verfolgt die Stadt mit verschiedenen Teilzielen, an deren Umsetzung sie laufend arbeitet:

  • Stärkung einer polyzentrischen Stadtstruktur,
  • Schaffung einer Stadt der kurzen Wege,
  • Gewährleistung einer hohen Qualität des öffentlichen Raums,
  • Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel,
  • Eine sichere Stadt schaffen,
  • Eine barrierefreie Stadt haben,
  • Planen und Bauen an den Erfordernissen des täglichen Lebens zu orientieren.

Aktivitäten

Die Stadt Wien in Österreich begann ihre Arbeit mit Gender Mainstreaming im Jahr 2000 und konzentrierte sich darauf, dies zu einer Querschnittsstrategie für die gesamte Stadtverwaltung zu machen. Durch Investitionen in Gender Mainstreaming will die Stadt "einen positiven gesellschaftspolitischen Wandel für alle ihre Bürgerinnen und Bürger erreichen". Ziel ist es, den Bedürfnissen und Anforderungen aller Bürgerinnen und Bürger besser gerecht zu werden und dadurch die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern. Dies geschieht durch Evaluierungen und durch die Berücksichtigung aller Nutzer öffentlicher Dienstleistungen, nicht nur unter geschlechtsspezifischen, sondern auch unter sozialen, ethnischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten.

Der erste Schritt dieser Initiative bestand darin, die Geschlechterperspektive in die Gestaltung der Stadtplanung einzubeziehen und gezielte Projekte für Frauen zu entwickeln und durchzuführen. In dieser ersten Phase wurden Konzepte und Methoden entwickelt und getestet, um allgemeine Leitlinien für die Umsetzung von Geschlechterspezifischen Mainstreaming in allen Bereichen zu erstellen.

Die Stadt Wien hat seit 2006 auch Geschlechterspezifische Budgetierung in ihre Budgetvorschläge integriert, indem sie alle Teile des Budgets aus der Geschlechterspezifischen-Perspektive betrachtet und in einem eigenen Kapitel darstellt, wer von den einzelnen Budgetposten profitiert.

In einem zweiten Schritt konzentrierte sich die Stadt auf die strukturelle und systematische Umsetzung des Gender-Mainstreaming, indem sie die Aktivitäten auf die Sensibilisierung, den Wissenstransfer und die Entwicklung von Bewertungs- und Berichtsmethoden konzentrierte. Außerdem wurden städtische Gleichstellungsbeauftragte ernannt.

Erstmals wurden in Wien zielgruppenspezifische Anforderungsprofile, Ziele, Prüffragen und Qualitätsindikatoren für verschiedene Maßstabsebenen formuliert und gleichzeitig die wichtigsten Methoden und Arbeitsinstrumente für einen gendersensiblen Ansatz im 2013 veröffentlichten Handbuch vorgestellt “Gender Mainstreaming in Urban Planning and Urban development”.

Wirkungen

Als Ergebnis vieler erfolgreicher Pilotprozesse und Projekte ist Gender Mainstreaming heute als zentrale strategische Disziplin der Stadtplanung in Wien fest etabliert. Es wurde im Strategieplan für Wien, im Stadtentwicklungsplan und in sektoralen Programmen, Masterplänen und Stadtgestaltungskonzepten sowie in zahlreichen Einzelprojekten umgesetzt. Zwischen 2005 und 2010 haben alle Planungsabteilungen der Stadt Wien im Rahmen ihrer Jahresverträge Gender Mainstreaming-Pilotprojekte durchgeführt. Über 50 Pilotprojekte haben damit die vielfältigen Aufgaben und Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten von PlanerInnen aufgezeigt.

Fazit

Geschlechtersensible Planung ist eine differenzierte Planungskultur, die einen orts- und gruppenspezifischen Ansatz verfolgt. Der Mehrwert von Gender Mainstreaming zeigt sich auf mehreren Ebenen und steigert in der Regel die Nutzbarkeit und Funktionalität einer Stadt erheblich. Eines der Erfolgsrezepte der Stadt Wien scheint darin zu bestehen, mit kleinen und gut durchdachten Pilotprojekten zu beginnen. Dadurch wird der Mehrwert von Gender Mainstreaming deutlich sichtbar und lässt sich leichter auf der strategischen Ebene etablieren. Und es ist durchaus relevant, dass Gender Mainstreaming auch dort ausreichend verankert ist.

weitere Informationen

Dieser Text basiert auf den Informationen auf der Website der Stadt Wien und auf der Publikation "Gender Mainstreaming in Urban Planning and Urban Development", auf die sich Teile dieses Textes stark beziehen. Wir können diese Publikation sehr empfehlen https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008358.pdf

Links:

The Guardian: City with a female face: how modern Vienna was shaped by women
https://www.theguardian.com/cities/2019/may/14/city-with-a-female-face-how-modern-vienna-was-shaped-by-women

City of Vienna: Parks – ways to implement gender mainstreaming
https://www.wien.gv.at/english/administration/gendermainstreaming/examples/parks.html

WPS Prague, Milota Sidorova: More girls to parks – case study of Einsiedler Park, Vienna
http://www.wpsprague.com/research-1/2017/1/6/more-girls-to-parks-case-study-of-einsiedler-park-viennamilota-sidorova

CBC: How city planners could help women feel safer
https://www.cbc.ca/news/how-city-planners-could-help-women-feel-safer-1.2790046

Observatory – European Charter for Equality of Women and Men in Local Life: Vienna – a model city for Gender Mainstreaming
https://charter-equality.eu/exemple-de-bonnes-pratiques/a-model-city-for-gender-mainstreaming.html

BBC: How Vienna built a gender equal city
https://www.bbc.com/travel/article/20210524-how-vienna-built-a-gender-equal-city

FemCities: Gender Mainstreaming in the City of Vienna
http://www.femcities.at/gender-mainstreaming-in-vienna
 

Publikationen (downloads):

Manual for Gender Mainstreaming in Urban Planning and Urban Development
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008358.pdf

Committee for Sydney (2020): Designing a City for Women. Lessons from Vienna
https://sydney.org.au/wp-content/uploads/2020/04/Committee_City-for-Women.pdf

Stand: 21.09.2022

Kontakt

Stadtentwicklung Wien, Magistratsabteilung 18 (MA 18) - Stadtentwicklung und Planung

www.stadtentwicklung.wien.at

Eva Kail (MD-BD, Gruppe Planung)

 

Bilder

Kategorien: Integrierte Stadtentwicklung Gender-sensitive Städte Öffentlicher Raum Partizipation und Stadtplanung Soziale Stadt
Regionen: Österreich Wien

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