Hagen liegt am Rande des Mittelgebirges Sauerland und verfügt über eine hügelige Topografie. Mit Ruhr, Volme, Lenne und Ennepe durchziehen gleich vier Flüsse das Stadtgebiet. Dadurch sind weite Teile der Stadt besonders bei Starkregenereignissen durch Überflutung gefährdet. Im Rahmen eines Pilotprojektes werden nun speziell entwickelte innovative Baumrigolen gepflanzt. Sie sollen die Stadt sicherer, klimaresilienter und somit lebenswerter gestalten.
Schon seit einigen Jahren arbeitet die Stadt Hagen daran, die Überflutungsgefahr durch Starkregenereignisse zu reduzieren. Deren Dringlichkeit wurde im Juli 2021 deutlich, als nach einem extremen Starkregen große Teile des Stadtgebietes überflutet wurden und große Sachschäden an Häusern, Brücken und städtischer Infrastruktur entstanden. Darüber hinaus geht es darum, die Klimaresilienz der Stadt ganz allgemein zu stärken und die Artenvielfalt zu verbessern.
Für das Neubaugebiet „Kuhlen Hardt“ wurde ein Baumrigolen-Konzept entwickelt. Ergänzend zu den klassischen Regenrückhaltebecken soll es das gesamte im Bereich der Baumrigolen anfallende Regenwasser auf den Straßen und Bürgersteigen in die Baumrigolen fließen lassen und so auch die üblichen Straßenabläufe im Abwasserkanalnetz ersetzen. Dadurch soll erreicht werden:
Das Hagener Baumrigolen-Konzept ist das Ergebnis einer bis dato einmaligen interdisziplinären Arbeitsgruppe bestehend aus Mitarbeitenden aus den Arbeitsbereichen
Angelehnt an Erfahrungen und Modellen aus Stockholm und Bochum, Know-How aus der Zukunftsinitiative „Klima.Werk“ und des Forschungsprojektes BlueGreenStreets sowie weiteren Praxisbeispielen aus Leipzig und Mannheim entwickelte die Arbeitsgruppe ihr eigenes, der Topografie Hagens angepasstes Modell.
Das Hagener Modell kombiniert das Stockholmer Modell mit einer bis zu 20 cm tiefen Versickerungsmulde. Durch einen Notüberlauf, der an das Kanalsystem angeschlossen ist, kann Wasser, das die Mulde übersteigt, abgleitet und somit die Verkehrssicherheit weiter gewährleistet werden.
Die Pflanzgrube von insgesamt etwa zwei Meter Tiefe besteht unterhalb der Mulde aus einer etwa 100 cm tiefen Substratschicht – Pflanzerde auf Löss-, Lava-; Bimsbasis, die optimales Wurzelwachstum gewährleiten soll. Darunter befindet sich ein circa 80 cm tiefer „Grobschlag“, eine grobkörnigere, lockere Bodenschicht, die Wasser gut speichert. Durch Einschlämmen der Substratschicht in den Grobschlag, kann auch der Baum gut in diese Bodenschicht hineinwurzeln. Im Grobschlag befindet sich eine Drainage, um längere Staunässe zu vermeiden. Sie soll Wurzelfäule verhindern, wenn es in den Wintermonaten zu häufigen Regenfällen und lang anhaltender Nässe kommt.
Ausgewählt wurden Baumsorten, die häufig in Auenlandschaften wachsen, vorübergehende Überflutungen gut vertragen und zudem mit dem Salzeintrag durch Streusalz im Winter zurechtkommen. Dies sind beispielsweise Erle, Baumhasel, Sumpfeiche, Stieleiche, Feldahorn, Spitzahorn und Ulme.
Die Bauplanung im Pilotprojekt sieht jetzt zunächst neun Baumrigolen entlang der Straßen vor; mögliche weitere könnten auf dem baumumstandenen zentralen Platz mit Aufenthaltsqualität entstehen. Mit der Umsetzung wird voraussichtlich Anfang 2024 begonnen. Basierend auf den dort gemachten Erfahrungen soll das Baumrigolenmodell auf das gesamte Hagener Stadtgebiet im Lauf der Jahrzehnte ausgeweitet werden. Das heißt, immer dort, wo neue Bäume gepflanzt bzw. alte Bäume ersetzt werden, soll dies dann in Form von Rigolen umgesetzt werden, sofern es die Topografie zulässt.
Baumrigolen können zu einem wichtigen Element der Stadtplanung werden, um Städte klimaresilienter, artenreicher und somit lebenswerter zu gestalten. Neben der Dach- und Fassadenbegrünung, modernen Mobilitätskonzepten, Flächenentsiegelung, öffentlichen und privaten Gärten und CO2-armer Architektur sind sie ein wichtiger Baustein moderner nachhaltiger Stadtentwicklung.
Durch die interdisziplinäre Arbeitsgruppe wurden nicht nur abteilungsübergreifende persönliche Kontakte gestärkt. Die Kolleginnen und Kollegen haben nun auch ein deutlich besseres Verständnis über die Arbeitsweise und Belange der jeweils anderen Bereiche und wurden so auch für eine grüne Stadtentwicklung im Ganzen weiter sensibilisiert. Die Fachleute aus der Entwässerungsplanung sehen sich nicht mehr als „Entwässerer“, sondern als „Wasserbewirtschafter“.
Forschungsprojekt BlueGreenStreet der HafenCity Universität Hamburg
Stand: 06.06.2023
Lars Kiesewetter
Wirtschaftsbetrieb Hagen AöR
Sachbearbeiter Entwässerungsplanung
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