Sichere, bunte und lebenswerte Straßen und Plätze in Belo Horizonte, Brasilien

Gestaltet mit der Expertise von Schülerinnen und Schülern

Überblick

In Belo Horizonte wurden als Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung zwei Tempo-30-Zonen geplant und 2019 erfolgreich umgesetzt. Dadurch sollten der Autoverkehr verringert und die Verkehrssicherheit und Lebensqualität in den entsprechenden Stadtvierteln verbessert werden. Dieser Veränderungsprozess fand unter breiter Beteiligung des örtlichen Einzelhandels, der Anwohnerinnen und Anwohner und insbesondere der örtlichen Schulen statt. Dadurch war die öffentliche Akzeptanz der Maßnahmen sehr hoch. Verschiedene Peer-to-Peer-Konsultationen auf einer Dialogveranstaltung in Bremen und ein anschließender Einsatz deutscher Fachkräfte in Belo Horizonte lieferten Ideen und Anregungen für das Projekt, das inzwischen als Modell für ähnliche Maßnahmen in anderen Stadtvierteln dient.

Ausgangssituation

Belo Horizonte ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais und liegt im Südosten des Landes. Mit rund zweieinhalb Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Belo Horizonte die sechstgrößte Stadt Brasiliens und wächst weiter. Bislang ist die Stadt autogerecht gestaltet und weist eine hohe Verkehrsdichte auf. Dadurch gehört sie weltweit zu den Städten, die die meisten Verkehrsopfer im Straßenverkehr zu beklagen haben.

Die Stadtverwaltung und die städtische Verkehrsplanungsgesellschaft BH Trans hatten sich deshalb das Ziel gesetzt, den Autoverkehr zu verringern, die Verkehrssicherheit für die Bevölkerung zu erhöhen und mehr Platz für Fußgänger und Radfahrerinnen zu schaffen. Dazu mussten Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung geplant und umgesetzt werden.

Lernerfahrungen

Im Juni 2017 folgten zwei Vertreterinnen und Vertreter aus Belo Horizonte der Einladung der Hansestadt Bremen, der Hochschule Bremen und der Initiative Connective Cities zu der Dialogveranstaltung „Nachhaltige städtische Mobilität – Strategien und Wege zu effizienteren, integrativen und umweltfreundlichen Städten“. Die Veranstaltung bot den Gästen die Gelegenheit, ihre Projektidee – die Einrichtung von zwei Tempo-30-Zonen – vor Fachleuten aus anderen Städten zu präsentieren und auf der Grundlage der geäußerten Anregungen, Vorschläge und Empfehlungen weiterzuentwickeln.

Im August 2018 reisten drei deutsche kommunale Fachkräfte nach Belo Horizonte, um die praktische Umsetzung des Projekts weiter zu unterstützen. Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Leipzig, der Referent für nachhaltige Mobilität der Stadt Bremen und die ADFC-Bundesvorsitzende besuchten die geplanten Streckenabschnitte im Krankenhausviertel und im Barrio Cachoeirinha von Belo Horizonte und nahmen an einem Stakeholder-Workshop mit 35 kommunalen Fachkräften und Vertreterinnen und Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Schulen, der Handelskammer sowie der örtlichen Wirtschaft teil. Eine derart breite öffentliche Beteiligung war ein Novum für den städtischen Verkehrsplanungsprozess in Belo Horizonte. Das Bürgerbeteiligungsverfahren war von den deutschen Fachleuten vorgeschlagen worden.

Eveline Prado Trevisan, Koordinatorin für Nachhaltigkeit und Umwelt, BHTrans

Projektideen

Durch die Peer-to-Peer-Konsultationen während der Dialogveranstaltung und den Fachkräfteeinsatz in Belo Horizonte konnte die Projektidee weiterentwickelt werden, was zum Projekterfolg beigetragen hat. Rückblickend betrachtet waren zwei Voraussetzungen für die Einführung der beiden Tempo-30-Zonen entscheidend: Zum einen eine umfangreiche Datenerhebung (z. B. zur Anzahl und Geschwindigkeit von Fahrzeugen, Radfahrerinnen und Fußgänger) und die Auswertung von Konzepten aus anderen Städten und zum anderen die umfassende Beteiligung der Bevölkerung durch im Vorfeld durchgeführte Befragungen sowie die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Planung und Umsetzung des Projekts. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Schulen in den beiden Stadtvierteln hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und die Planungs- und Umsetzungsprozesse verändert. Durch eine neue Schwerpunktsetzung wurde die Zielgruppe der vulnerablen Verkehrsteilnehmerinnen um die Radfahrer erweitert. Daneben wurden Schülerinnen Schüler sowie Menschen mit körperlichen Behinderungen als vulnerable Gruppen definiert.

Maßnahmen

Die Schülerinnen und Schüler erwiesen sich als wahre Experten für ihr Umfeld und haben sich aktiv an der Einrichtung der Tempo-30-Zonen beteiligt – von der Gestaltung und Aufbringung neuer Fahrbahnmarkierungen bis hin zur individuellen Gestaltung der neu gewonnenen öffentliche Räume.

Im April 2019 wurden die beiden Tempo-30-Zonen fertiggestellt. Neben sicheren Radwegen wurden weitere öffentliche Flächen, die bislang dem Autoverkehr vorbehalten waren, umgewidmet, so dass hier nun Platz für Spiel und Entspannung ist.

Perspektive

Eine Evaluierung im September 2019 hat ergeben, dass diese Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in der Bevölkerung auf hohe Akzeptanz stoßen. Durch die frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in alle Umsetzungsschritte war der Widerstand gegen die Umgestaltung gering. So ist es durch die Ausweisung der Tempo-30-Zonen nicht nur gelungen, das Risiko für schwere Verkehrsunfälle zu mindern. Vielmehr konnten auch die Luftqualität verbessert, die CO2-Emissionen verringert und damit letztlich die Lebensqualität in den betroffenen Stadtvierteln erhöht werden.

Derzeit wird ein Handbuch über die im Rahmen des Projekts angewandten Methoden entwickelt, damit andere Stadtteile und Städte von den praktischen Erfahrungen und Schritten bei der Umsetzung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen lernen und diese ebenfalls anwenden können.

Auf der Grundlage der mit diesen beiden Tempo-30-Zonen gesammelten Erfahrungen haben die Verantwortlichen nun in Eigeninitiative und nach demselben Muster zwei weitere Tempo-30-Zonen eingerichtet.

Mit technischer Unterstützung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sowie finanzieller Förderung von UN-Habitat im Rahmen des Programms Urban Pathways werden seit 2020 weitere Straßen verkehrsberuhigt und neue Plätze gestaltet. Darüber hinaus wurde ein zusammenhängendes Radwegenetz gebaut. Dazu wurden bislang voneinander getrennte Radwege, die vom Westen und Osten der Stadt ins Stadtzentrum führen, miteinander verbunden. Teilweise wurden dabei vom Autoverkehr baulich getrennte Fahrradspuren eingerichtet. Andere Aspekte wie die Abfallwirtschaft und die Messung der Luftverschmutzung wurden im Rahmen des Projekts ebenfalls berücksichtigt.

Die von der Initiative Connective Cities verfolgte Strategie, Peer-to-Peer-Konsultationen in verschiedenen Formaten miteinander zu verknüpfen, um umsetzungsreife Projekte zu entwickeln, hat sich in Belo Horizonte bewährt. Oder, um es mit den Worten von Frau Eveline Prado Trevisan zu sagen, die bei BH Trans den Bereich nachhaltige Mobilität verantwortet: „Nach der Zusammenarbeit mit Connective Cities wurden viele neue Projekte entwickelt. Ich glaube, das war für uns eine wichtige Erfahrung.“

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Kategorien: Integrierte Stadtentwicklung Nachhaltige Mobilität Öffentlicher Raum Partizipation und Stadtplanung Sicherheit in Städten Stadt und Klimawandel
Regionen: Lateinamerika Brasilien Belo Horizonte

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