Stadtentwicklung und Klimawandel

"Unser Kampf um globale Nachhaltigkeit wird in den Städten gewonnen oder verloren."

Ban Ki-Moon, ehemaliger VN-Generalsekretär, im Jahre 2012

Der Klimawandel wurde verschiedentlich als eine der größten Herausforderungen der Menschheit beschrieben, da er „das Leben und unsere Existenz bedroht“ (Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, 2007-2016). Es liegen wissenschaftliche Belege dafür vor, dass sich das Klimasystem erwärmt und dass menschliche Aktivitäten die Ursache für diese Klimaerwärmung sind. Zu den festgestellten Veränderungen zählen der Rückgang von extrem niedrigen Temperaturen, die Zunahme von extrem hohen Temperaturen, der Anstieg des Meeresspiegels, länger anhaltende Dürren, großflächige Waldbrände, häufigere und stärkere Wirbelstürme sowie die Zunahme der Starkregenereignissen in verschiedenen Weltregionen. Wie im letzten IPCC-Bericht ausgeführt, war jede der letzten vier Dekaden wärmer als jede der vorangehenden Dekaden seit 1850. Seit 1970 ist die weltweite Temperatur an Land schneller gestiegen als in jedem anderen 50-Jahres-Zeitraum in den letzten 2000 Jahren, und seit 1900 ist der weltweite mittlere Meeresspiegel schneller gestiegen als in jedem seit Jahrhundert seit mindestens 3000 Jahren. Doch die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht auf Umweltprobleme, bestimmte Politikfelder, Wirtschaftszweige oder gesellschaftliche Gruppen beschränkt. Vielmehr machen sich die Auswirkungen rund um den Erdball bemerkbar, insbesondere in Ländern mit geringem Einkommen und bei besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen.

Der Klimawandel betrifft alle, aber besonders vulnerable Gruppen und verschärft soziale Ungleichheiten

Die Coronapandemie hat gezeigt, dass die am stärksten durch das Coronavirus und die pandemiebedingte Wirtschaftskrise gefährdeten Bevölkerungsgruppen gleichzeitig die Menschen sind, die von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten beeinträchtigt werden. Dazu zählen insbesondere Frauen, Minderheiten, marginalisierte ethnische Gruppen, Alte, informell Beschäftigte sowie Menschen in wichtigen, aber unterbewerteten Berufen, die mit erheblichen Risiken verbunden sind. Die Coronapandemie hat zu mehr Ungleichheit und zur Verschlechterung der Lebensverhältnisse geführt und gezeigt, dass große Ungleichheiten die Gesellschaft anfälliger machen. Allerdings haben die Reaktionen auf die Pandemie wichtige Erkenntnisse gebracht. Diese müssen wir berücksichtigen, wenn wir das, was durch die Pandemie zerstört wurde, in besserer Form wiederaufbauen und unsere Städte resilienter und nachhaltiger gestalten wollen. Alle künftigen Stadtentwicklungskonzepte, -pläne und -maßnahmen müssen zukunftsorientierte Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte umfassen, denn dadurch lässt sich der Umgang der Städte mit den Auswirkungen des Klimawandels am besten steuern.

Bei Klimaschutz und Klimaanpassung fällt Städten eine entscheidende Rolle zu

Die internationale Gemeinschaft hat mit dem Klimaschutzabkommen von Paris einen Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel erreicht und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Maßnahmen für eine nachhaltige klimafreundliche Zukunft intensiviert und die dafür notwendigen Investitionen hochgefahren werden. Das Ziel, die globale Klimaerwärmung auf unter 2° C, nach Möglichkeit auf 1,5° C zu begrenzen, soll weltweit zu ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen führen. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs), das Klimaschutzabkommen von Paris und die Neue Urbane Agenda (NUA) sind drei Beispiele für internationales Handeln, die zeigen, dass nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz und Klimaanpassung eng miteinander verknüpft sind und dass den Städten dabei eine entscheidende Rolle zufällt. Eine nachhaltige Entwicklung stärkt die Resilienz der Städte gegenüber dem Klimawandel, während ohne Klimaschutz und Klimaanpassung die Entwicklung insgesamt gefährdet wird (BMZ 2016). Aus diesem Grund gilt es, die Anstrengungen auf kommunaler Ebene zu steigern und internationale Strategien in konkrete Maßnahmen zu überführen.

Die Folgen einer rasanten Urbanisierung und des Klimawandels verschärfen sich gegenseitig

Während der Klimawandel eine globale Herausforderung darstellt, sind Klimaschutz und Klimaanpassung im Wesentlichen Aufgaben der kommunalen Ebene. So verursachen Hochwasserereignisse große Schäden an kommunalen Infrastrukturen – dazu zählen beispielsweise Straßen, die Stromversorgung, Einrichtungen der Abfallwirtschaft, die Kanalisation und Kläranlagen. Im Zusammenspiel mit dem Anstieg des Meeresspiegels können Hochwasser zu schwer wiegenden Problemen in der Sanitärversorgung führen und die grundlegenden Funktionen einer Stadt wochenlang lahmlegen. Schätzungen der Vereinten Nationen zu folge werden bis 2050 6,5 Milliarden Menschen und damit zwei Drittel der Weltbevölkerung in urbanen Ballungsräumen leben. 60 Prozent der Flächen, die bis 2030 voraussichtlich urbanisiert sein werden, sind bislang unbebaut. Damit sind die Städte sowohl Treiber als auch Opfer des Klimawandels. 70 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 75 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes entfallen auf Städte, was bedeutet, dass sie massiv zum Klimawandel beitragen. Gleichzeitig befinden sich Städte häufig in Gebieten, die durch den steigenden Meeresspiegel, Wirbelstürme, Hochwasser, Dürren, Wasserknappheit und den Wärmeinseleffekt in dicht bebauten Ballungsräumen in besonderer Weise gefährdet sind. Dabei verschärft der Klimawandel die negativen Auswirkungen, denen die Städte bereits jetzt durch die rasante Urbanisierung, die damit einhergehende Bodenversiegelung und steigende Einwohnerzahlen ausgesetzt sind.

Der Klimawandel ist ein Querschnittsproblem, das alle Bereiche der Kommunalverwaltung berührt – Bürgerbeteiligung ist entscheidend

Durch die Auswirkungen des Klimawandels geraten kommunale Versorgungsleistungen, die Tätigkeit der Privatwirtschaft, das Ökosystem sowie die Lebensbedingungen aller Bürgerinnen und Bürger unter Druck, was Verluste an Menschenleben und enorme Kosten zur Folge hat. Gleichzeitig können die Städte ihren Bürgerinnen und Bürgern eine hohe Lebensqualität sowie Lösungen zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes bieten. Der Klimawandel ist ein Querschnittsproblem, das alle Bereiche der Kommunalverwaltung berührt. Daher gilt es, bereichsübergreifende Konzepte gegen den Klimawandel zu entwickeln und umzusetzen und den Klimaschutz als Querschnittsaufgabe auf allen Ebenen der Stadtentwicklungsplanung und in allen städtischen Projekten zu verankern. Damit die bereichsübergreifende Zusammenarbeit funktioniert, müssen die beteiligten Akteure für die Auswirkungen des Klimawandels und geeignete kommunale Klimaanpassungsstrategien sensibilisiert werden. Wenn jedoch die Bürgerinnen und Bürger und andere wichtige Akteure nicht an diesem Prozess beteiligt werden, ist der Erfolg nicht garantiert. Die vorhandenen Stadtkonzepte und -modelle müssen im Lichte des Klimawandels kritisch überprüft und um klimafeste Stadtentwicklungsprinzipien ergänzt werden. Dazu zählen der Grundsatz der Nachverdichtung vor der Erschließung neuer Flächen, das Konzept der städtischen Mischnutzungsflächen mit kurzen Wegen, die Erweiterung und Verbesserung von städtischen Grünflächen sowie die Verankerung von Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepten in der Stadtentwicklung (GIZ 2019).

Selbst wenn es gelingt, die Erderwärmung in den Griff zu bekommen und den Treibhausgasausstoß zu verringern, könnten die Auswirkungen des Klimawandels noch mehrere Jahrhunderte zu spüren sein. Deshalb ist die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5° C bis 2° C entscheidend, damit der Klimawandel beherrschbar und die Erde bewohnbar bleiben und wir uns nicht die Möglichkeit verbauen, uns nachhaltig zu entwickeln und neue Entwicklungschancen zu erschließen.

Der Klimawandel – eine Querschnittsaufgabe für Connective Cities

Der Klimawandel ist ein Querschnittsthema, das im Sinne eines integrierten Konzepts für nachhaltige Entwicklung bei allen Maßnahmen von Connective Cities berücksichtigt wird.

Städte sind durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels besonders gefährdet. Gleichzeitig müssen sie wichtige Bedürfnisse befriedigen und beispielsweise grundlegende kommunale Dienstleistungen erbringen. Dazu zählen unter anderem die Bereitstellung von Wohnraum, die Gewährleistung der städtischen Sicherheit, die Förderung des kommunalen Wirtschaftswachstums und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Städte sind Zentren der menschlichen Entwicklung und können von den Erfolgen und Herausforderungen anderer Kommunen lernen.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in allen Schwerpunktregionen und Arbeitsgruppen von Connective Cities zu sehen. Genau dies ist der Grund, aus dem die Städte innovative Lösungen für Klimaschutz und Klimaanpassung gemeinsam entwickeln, teilen, diskutieren und an die eigenen Gegebenheiten anpassen. Im Rahmen der verschiedenen Lernprozesse und Austauschformate von Connective Cities haben kommunale Fachkräfte die Gelegenheit, zahlreiche Beispiele für gute Praktiken aus Kommunen rund um den Erdball kennenzulernen und sich über innovative Lösungen zu informieren, die andere Kommunen zur Bewältigung ihrer Probleme entwickelt haben.

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Foto (Bild oben): Xurcon | istock

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